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Reviewed by:
  • Lob der Oberfläche. Zum Werk von Elfriede Jelinek by Thomas Eder, Juliane Vogel
  • Britta Kallin
Thomas Eder, Juliane Vogel, Hrsg., Lob der Oberfläche. Zum Werk von Elfriede Jelinek. München: Wilhelm Fink, 2010. 184 S.

Die Herausgeber erklären in ihrer einseitigen Vorbemerkung zu diesem gro-ßen Projekt, dass die Beitragenden mit Hilfe des Konzepts der Topologie Kontinuitäten und Brüche in Jelineks Werk untersuchen. Vogel und Eder nennen die elf WissenschaftlerInnen auch “KennerInnen des Jelinekschen Werkes” (7). In der Tat melden sich hier eine Reihe von deutschen und österreichischen WisschenaftlerInnen aus den Diszplinen der Literatur, Kunst, Philosophie, Archäologie und Theaterwissenschaft zu Wort, von denen sich die meisten bereits intensiv mit Jelineks Werk auseinandergesetzt haben. Als einzige nordamerikanische Literaturwissenschaftlerin ist Fatima Naqvi eine Ausnahme von der Regel; alle anderen scheinen hauptsächlich in Europa angesiedelt. Es geht bei diesen Beiträgen vornehmlich um die Topologie, also die räumliche Struktur, in Jelineks Werk, mit deren Hilfe die Analysen der literarischen Texte hier auf sehr überzeugende Weise vorgetragen werden.

Das üppige Jelineksche Flächenkonzept, das Gewaltkonzept und die Medienkritik weist Juliane Vogel anhand von Falten in einem Kleid nach. Vogel bezieht sich dabei auf das Faltendenken von Gilles Deleuze, das er in seinem Buch Die Falte. Leibniz und das Barock (1996) veranschaulicht. In einer inter-disziplinären Lektüre untersucht Wolfram Pichler die Bildoberflächen in Jelineks Werk, die er mit Fotos, Filmen, Kunstwerken und Gebäuden von Viktor Prassolow, Michel Serres, Peter Eisenman, Stan Douglas, Marcel Duchamps, Max Bill, Lygia Clark und Dan Graham in Beziehung setzt, um zu zeigen, wie [End Page 181] sich die Oberflächenästhetik in anderen Kunstformen in den letzten hundert Jahren ähnlich wie Jelineks Literatur verändert hat. Evelyn Annuß untersucht hingegen die von Jelinek absichtlich erzeugte Zweidimensionalität, nicht die beliebte, traditionelle Dreidimensionalität, von Körpern und Figuren ihrer Charaktere in den Romanen und Theaterstücken. Sie veranschaulicht, wie die Schauspieler zu “plastischen Behältern” werden und wie die Figuren und ihre Referenten sich bewusst voneinander entfernen (54).

Die Verbindung von Tod und Mode bei Jelinek analysiert Uwe Wirth an Beispielen wie dem Chanel-Kostüm von Jackie Kennedy, also der Modenschau und dem Totentanz, in die Jackie in Jelineks Prinzessinnendrama gezogen wird. Die Körperlichkeit der Autorin und deren Zurschaustellung in ihrer Video-Performance bei der Nobelpreisverleihung “Im Abseits” untersucht er als “Selbstversuch” der abwesenden Lebenden (85). In ihrer Lektüre von Jelineks Die Wand deutet Daniela Strigl die Raumplanung und deren Zerstö-rung anhand von Wand, Mauer, Fenster, Spiegel, Tafel, die alle nur Orte des Verschwindens für Jelineks Figuren darstellen. Die “stummen Stimmen” bei Jelinek, die doch zu Wort kommen, untersucht Armin Schäfer anhand seiner Lektüre der Paradoxie in Jelineks Texten, die er mit Hilfe von Robert Walser und Michel Foucault in “Im Abseits” aufschlüsselt (109).

Klaus Kastberger erörtert in seinem Beitrag vier Thesen: dass Jelinek wie Fernsehen ist, dass sie eine Haut der Medien erstellt, dass ihre Literatur die Haut des Lesers ersetzt und dass Jelinek in der Tat “Texthäute” schreibt und spannt (127), Häute also, die auch mit den allseits bekannten Jelinekschen Sprachflächen verglichen werden können. Fatima Naqvi liefert eine überzeugende Lektüre von Jelineks eigens zur Herausgabe eines speziellen Bandes von Modern Austrian Literature verfassten Essays “Angst. Störung”. Darin untersucht Naqvi sowohl die topologischen und topographischen Eigenheiten als auch die Paradoxien des Textes, wobei es Jelinek vornehmlich um das “Ausloten der Grenzen des Akzeptablen und des Sagbaren” gehe (141). Chris-ta Gürtler liest Jelineks Roman Gier als einen der Todsünden Romane, in der die Gier der weiblichen Charaktere den Leser durch den Krimi zieht. Gürtler zeigt, inwiefern sich Jelinek Ingeborg Bachmann nähert und sich gleichzeitig von ihr in Bezug auf das Ende in Bachmanns Malina Roman distanziert.

Eine äußerst aufschlussreiche Lesweise bietet Inge Arteel in ihrer Interpretation von Franz Kafkas Kurzgeschichte “Ein altes Blatt”, aus der Gilles Deleuze das Nomadische herauslas. Arteel orientiert sich an Kafk as und Deleuzes Umgang mit dem Anderen, indem sie die nomadischen Untoten [End Page 182] in Jelineks Werk und die Verweigerung von Individualität und Authentizität für die...

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