In lieu of an abstract, here is a brief excerpt of the content:

  • Traditionsgeschichtliche Analyse des Gebets in MartPol 14:Ein jüdisches Dankopfergebet des Einzelnen als eucharistisches Märtyrer-Gedächtnisgebet der frühchristlichen kleinasiatischen Gemeinden
  • Gerd Buschmann (bio)

Obwohl das Gebet des Bischofs Polykarp auf dem Scheiterhaufen in der Erforschung des MartPol insgesamt vergleichsweise viel Aufmerksamkeit erfahren hat,1 sind doch wesentliche Fragen bis heute ungeklärt: Handelt es sich um ein historisch-authentisches Gebet des Bischofs? Wenn nicht, handelt es sich dann um (traditionell inspirierte) literarische Fiktion oder um echte liturgische Tradition? Und handelt es sich formkritisch betrachtet [End Page 181] eher um einen Hymnus oder um ein Gebet, und gibt es hier überhaupt klare Abgrenzungen? Handelt es sich um ein Bitt- oder um ein Dankgebet, um ein Märtyrerabschiedsgebet oder um ein eucharistisches Gebet? Und woher stammt die zugrundeliegende Tradition: aus dem griechischen Hymnenschema, aus dem alttestamentlichen Hymnus und Danklied, aus der Märtyrertradition oder aus den jüdischen Mahlgebeten, die die Basis für die christliche Eucharistie abgeben? Oder handelt es sich hier nicht um wirkliche Alternativen? Und wo schließlich, wenn sich denn hinter MartPol 14 eine Tradition ausmachen läßt, hat sie ihren Sitz im Leben? Und wie wird sie redaktionell verwendet?

1. Ein Historisch-Authentisches Gebet Polykarps?

Auf seine Weise partizipiert das Gebet auf dem Scheiterhaufen an der grundsätzlichen Fragestellung nach der Authentizität der sog. Märtyrerakten überhaupt. Ein aus dem 19. Jhdt stammender historistischer Forschungsansatz auf der Suche nach authentischen Prozeß-Akten, ähnlich problematisch wie die Suche nach einem "Leben Jesu" in den Evangelien, verbunden mit einer primär literarkritisch ausgerichteten Forschung, scheint heute (mit einiger Verzögerung gegenüber der Evangelienforschung!) durch einen formkritischen Ansatz überwunden, der die früchristliche Märtyrerliteratur als erbaulich-kerygmatisch-paränetische Literatur begreift und nicht mehr als Protokolle historischer Vorgänge ansieht.2 "Die Einsicht, daß es das von der historischen Kritik so lange gesuchte originale Martyrer-Aktenstück überhaupt nicht gibt,"3 läßt grundsätzlich auch gegenüber einer Annahme von ipsissima verba Polycarpi in MartPol 14 Zweifel aufkommen. Zwar ist nicht völlig auszuschließen, daß wir in dem Gebet authentische Worte Polykarps vorfinden, neben den grundsätzlichen Zweifeln spricht aber auch konkret [End Page 182] folgendes, dagegen: a) Die Situation auf dem tumultartig errichteten Scheiterhaufen, umgeben von einer lärmenden Menge, erlaubt keine längeren Gebete oder gar die Mitschrift derselben. b) Vergleichbare Märtyrerabschiedsgebete formulieren lediglich einen kürzeren Stoßseufzer oder Dankspruch ("Deo gratias . . . ," vgl. M. Scill. 5; M. Apollon. 46; M. Pion. 11.6 u.ö.). c) MartPol 14 ist deutlich liturgisch geprägt. d) Es bestehen Differenzen des Gebets zur Sprache der Polykarpbriefe:4MartPol 14 benutzt für Jesus Christus die Titel and (vgl. Polyc. ep. 12.2: sempiternus pontifex), nicht aber den von Polyc. ep. bevorzugten -Titel (Polyc. ep. 1.1f.; 2.1.3; 6.3; 7.2; 9.2; 10.1; 12.2; 14), der im Gebet Gott vorbehalten ist. MartPol 14.2a.3 verweist auf den Hl. Geist, in den Briefen begegnet der Geist nur in einem Zitat aus 1 Petr 2.11/Gal 5.17 in Polyc. ep. 5.3.

2. Gliederung Des Gebets in MartPol 14

Das Gebet entspricht mit seinem klaren dreiteiligen Aufbau gleichermaßen dem alttestamentlichen Hymnus und Danklied, dem griechischen Hymnus, den jüdischen Mahl- und den christlichen Eucharistiegebeten wie oftmals durch die Dreizahl geprägten liturgischen Formulierungen überhaupt:

  1. I. Anrufung Gottes (mit dreifacher Anrede): .

  2. II. Dankgebet: a.

    1. a. Der Grund des Danks: Teilnahme an der Zahl der Märtyrer (unmittelbare Gegenwart: )

    2. b. Aus dem Dank abgeleitetete Bitte: Vollendete Aufnahme in die Zahl der Märtyrer in einem wohlgefälligen Opfer (unmittelbare Zukunft: )

  3. III. Schlußdoxologie: 5. [End Page 183]

3. Traditionsgeschichtlicher Hintergrund Des Gebets In MartPol 14

3.1. Hymnus und Danklied in Israel6

Lit.: BRUCKER, R., «Christushymnen» oder «Epideiktische Passagen»? Studien zum Stilwechsel im Neuen Testament und seiner Umwelt. (Diss. theol.) Hamburg 1995, 76–86 / CRÜSEMANN, F., Studien zur Formgeschichte von Hymnus und Danklied in Israel, WMANT 32, Neukirchen-Vluyn 1969, 210–84 / GUNKEL, H., Einleitung in die Psalmen.Die Gattungen der religiösen Lyrik Israels. Zu Ende geführt von J. Begrich. Göttingen 1933 (41985) / WESTERMANN, C., Das Loben Gottes in den...

pdf

Share