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Reviewed by:
  • Austrian Studies. Literaturen und Kulturen. Eine Einführung by Desiree Hebenstreit et al.
  • Martin A. Hainz
Desiree Hebenstreit, Arno Herberth, Kira Kaufmann, Dorothea Rebecca Schönsee, Laura Tezarek und Christian Zolles, Hrsg., Austrian Studies. Literaturen und Kulturen. Eine Einführung. Anlässlich der Emeritierung von Roland Innerhofer. Wien: Praesens, 2020. 623 S.

Der vorliegende Band ist eine Einführung in die Literaturen und Kulturen, die Österreich meint, jenes heterogene Gebiet, das wie das Gebiet, das Österreich quasi kolonial verwaltete, bis heute keine einzige Identität strictu sensu zu haben scheint und dadurch immer wieder so fruchtbar sein konnte. Es ist ein Zugang, der sich dementsprechend mikrologisch an den verschiedenen Schriftsteller*innen und Stimmen abarbeitet, die kakanisch bzw. schon österreichisch sein sollen.

Dabei versucht der erste Beitrag sich noch summarisch: Was ist das Österreichische überhaupt, so fragt Konstanze Fliedl, ehe das Geschichtsbewusstsein untersucht wird, das einmal österreichisch ist, dann aber auch eines davon, was austriakisch ist oder wäre. Hier wird auch Theodor Kramers gedacht, dessen Heimatliebe zuletzt darin bestand, "sich selbst das verlorene Österreich verkörpern" (19) zu wollen—man darf heute sagen: eine Ehre für das damals so düstere Land. Andererseits mag es immer jene "kulturelle Kohäsion" (21) gewesen sein, die Österreich ausmachte, bis hin zur "Ämterpoesie" (24), die Juliane Vogel beschrieb, hier von Fliedl zitiert. Dazu wird auch das Nibelungenlied untersucht, felix austria neben [End Page 166] infelix germania gestellt, wie Stephan Müller formuliert. Norbert Christian Wolf, dessen Monographie Revolution in Wien von 2018 en passant empfohlen sei, nimmt sich eben jenes Phänomens des Aufstandes an, es wird aber unter anderem auch das Überdauern der Aristokratie untersucht, das sich da schon abzeichnet—"Österreich gilt als ein Land, in dem es geglückte Revolutionen [ . . . ] gegeben hat" (39), schreibt Wolf—und zwar von Christian Zolles, ehe diesen ersten Abschnitt ein Gespräch Pia Jankes mit Elfriede Jelinek beschließt. Deren Beobachtungen zur Globalisierung der Wirtschaft als einer niederträchtigen Vermeidung von Schuld, sind nicht nur literarisch Interessierten ihrer Luzidität wegen ans Herz zu legen (108).

Topographisch rollt der zweite Abschnitt auf, was Österreich (gewesen) sei, die Donau macht als Orientierung in Edit Királys Beitrag den Anfang. Der Strom verbindet alles, eine Urbanität, die jene Musils ist, den darum "keines der Bundesländer [ . . . ] beansprucht" (131), wie er schreibt und Karl Wagner als Schlussakzent seines Beitrags zitiert. Die Donau verbindet Wien mit dem Umland, das provinziell ist, dann aber werden noch ganz andere Netze geknüpft, so nach Triest, aber auch in die USA, im Text von Wynfrid Kriegleder, der hier das dialektische Verhältnis dieser Internationalität und einer Provinzialität, die im Bunde mit Zynismus bis zur Shoah führte, zeigt: "Die Liste der nach Amerika geflüchteten Autoren und Autorinnen ist ein veritables Who's Who der österreichischen Literatur" (152), von Rose Ausländer bis Harry Zohn. Ebenfalls ein spannendes Koordinatennetz skizziert Clemens Ruthner mit Alfred Kubin-etwas werde kommen, doch "das Lüften des Mysteriums" obliege "künftigen Interpretationen" dessen, was als "Modernitätsverweigerung [ . . . ] ein utopisches Moment" (183) aufweise. Vielleicht ist es das Setzen auf eine Diskontinuität, wo die Moderne manches noch weitertreibt, was ihr fremd sein müsste und doch nicht ist.

Die unsichtbaren Strukturen untersucht der dritte Teil, der die Bürokratie als österreichisches Spezifikum beschreibt, Institutionen entlang oder hindurch. Das ist manchmal ein Abbruch und Neuanfang, das ist manchmal aber auch eine in sich anarchistisch-ironische Geschichte, so im Falle der Verwaltung bei Kafka und Musil. Der habsburgische Mythos als performatives Narrativ gehört ebenfalls hierher, des von Claudio Magris so benannten Themas nimmt sich Burkhardt Wolf an, der die Herausforderung der "Ermessensgrenzen" (219) als das versteht, worin Post-Habsburg—hegelianisch?—aufgehoben sein mag.

Die einzelnen Stimmen, genuine Rhetoriken und Debatten versammelt [End Page 167] dann ein Abschnitt, worin Daniela Strigl das kritische Potential Marie von Ebner-Eschenbachs auslotet, um die sie sich schon früher editorisch wie in Studien wie nur wenige verdient gemacht hat. Das nicht eben friktionsfreie Verhältnis von Brecht und Österreich schildert Hermann Schlösser, Evelyne Polt-Heinzl—hier mit einem Beitrag zu Ferdinand von Saar—vermag es wieder wie wenige, von Werken auf soziale Zusammenhänge zu kommen...

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