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  • Alpensagas und Modelldörfer. Heimatbesichtigungen in Literatur und Film by Wolfgang Straub
  • Jakub Gortat
Wolfgang Straub, Hrsg., Alpensagas und Modelldörfer. Heimatbesichtigungen in Literatur und Film. Innsbruck: Studienverlag, 2020, 260 S.

Der von Wolfgang Straub herausgegebene Sammelband beginnt mit der Bemerkung, dass die Attraktivität des Begriffs "Heimat" seit Jahren nicht abnimmt (9–10), was seinen Ausdruck in der großen Menge von rezenten Publikationen findet. Das Buch, in dem 14 deutschsprachige Aufsätze veröffentlicht sind, ist Resultat einer Konferenz, die im September 2019 anlässlich des 75. Geburtstags Peter Turrinis im Archiv der Zeitgenossen in Krems stattfand. Der Band ist in vier Hauptkapitel gegliedert. Das erste "Symbolfiguren und Außenseiter" konzentriert sich auf die literarischen Werke, in denen das Motiv einer verlorenen, verhassten oder neu entdeckten Heimat dominiert. Die Beiträge im zweiten Kapitel "Modelldörfer" bieten eine interessante komparative Analyse vom Dorf als Schauplatz des Antiheimatromans an. Das dritte Kapitel "Regionalität—ein neuer Heimatdiskurs?" beinhaltet zwei Texte, die die Frage der Regionalität mit dem Krimi-Genre verbinden. Im letzten, vierten Kapitel werden vier Beiträge über "neue Heimatfilme" gesammelt, obwohl das Adjektiv "neu" im Kontext von manchen, hier dargestellten Filmen aus den 1970er Jahren ein bisschen merkwürdig erscheint. Trotz des breiten thematischen Umfangs und immer zunehmender Literatur über Heimat und Anti-Heimat scheint die von Wolfgang Straub bearbeitete Einleitung, obwohl inhaltlich fließend [End Page 163] und kohärent, ein bisschen kurz und hastig. Einzelne Beiträge werden sehr bündig angekündigt und einer der Essays (der Beitrag Stefan Maurers) wird überhaupt in der Einleitung übergangen.

Die thematischen und zeitlichen Rahmen, die im Sammelband festgelegt werden, beziehen sich wesentlich auf die so genannte Anti-Heimat-Literatur und den Anti-Heimat-Film (bzw. Antiheimat-Literatur und Antiheimat-Film), die seit den 1970er Jahren genauer betrachtet werden. Die Überlegungen, die auch die Termini "kritische Heimatliteratur" und "kritischer Heimatfilm" oder "neue Heimatliteratur" und "neuer Heimatfilm" einbeziehen, spielen für den Autor der Einleitung und die AutorInnen der einzelnen Beiträge eine bedeutende Rolle und gehen mit diversen Herangehensweisen in ihren Analysen der ausgewählten Kulturwerke einher. Die AutorInnen beschäftigen sich sowohl mit den Werken von bekannten Schriftstellerinnen und Filmemacherinnen, wie Jean Améry, Peter Turrini oder Volker Schlöndorff, als auch mit neu aufgefundenen Texten, denen in der Literatur bisher wenig Bedeutung beigemessen wurde. Für manche Autorinnen, wie Fermin Suter, Stefan Maurer und Karin Moser sind diese Entdeckungen von neuen informationen dank einer ausführlichen Recherche in den Archiven möglich-für Maurer ist das das Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, für Suter das Schweizerische Literaturarchiv in Bern und für Moser das vorher erwähnte, vor einigen Jahren gegründete Archiv der Zeitgenossen in Krems.

Alle Texte weisen eine gemeinsame Botschaft auf. Der Begriff "AntiHeimat" soll als kritischer Erinnerungsvorgang betrachtet werden. Die Autorinnen der meisten "kritischen Heimattexte," (das betont in seinem Beitrag vor allem Jürgen Heizmann), dekonstruieren den idyllischen Mythos der Provinz, stellen die Rollen der traditionellen Autoritäten in Frage, und setzen sich mit der "schwierigen Vergangenheit" ihrer Länder-sowohl der Heimaten als auch der Vaterländer-auseinander. Es ist also eine Akzentuierung eines "negativen Gedächtnisses, das die eigene verbrecherische Vorgeschichte ins kollektive Selbstbild integriert und durch öffentliches Bekennen von Schuld rituell in Gang hält" (Aleida Assmann, Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur. Eine Intervention, 3. Auflage, C. H. Beck, 2019, S. 7) und andererseits eine interne Dekolonialisierung der Erinnerung von verschiedenen Gruppen, Familien, Minderheiten, die bisher nicht imstande waren, die Aufmerksamkeit auf ihre Geschichten und [End Page 164] Identitäten zu lenken (Pierre Nora, "Between Memory and History: Les Lieux de Mémoire", Representations, Bd. 26, 1989, S. 7).

Während die klassischen Heimattexte gewöhnlich keine heiklen politischen oder historischen Themen aufwarfen (dazu zählen auch die späten Beispiele von den "Wörtherseefilmen," die Arno Rußegger in seinem Beitrag analysiert), ist die neue (bzw. kritische) Heimatkunst auf eine soziale und manchmal auch politische Kritik von Grund aus orientiert. Daher kann man bedauern, dass den gegenwärtigen Problemen der Heimat, Heimatsuche und Heimatverweigerung, die aus der neusten Migrationswelle resultieren, so wenige Beiträge gewidmet sind. Mit einer Ausnahme von Tobias...

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