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  • Der Jurist und der Bauer. Ein Lustspiel in zween Aufzügen by Johann Rautenstrauch
  • Wynfrid Kriegleder
Johann Rautenstrauch, Der Jurist und der Bauer. Ein Lustspiel in zween Aufzügen. Mit einem Nachwort herausgegeben von Matthias Mansky. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2018. 72 S.

Am 28. Juli 1773—fast exakt ein Jahr nach der Wiener Premiere von Lessings Emilia Galotti—wurde im Theater am Kärntnertor erstmals das "Lustspiel in zween Aufzügen" Der Jurist und der Bauer von Johann Rautenstrauch aufgeführt. Das Stück war ein überraschend großer Erfolg. Es wurde im Lauf der nächsten beiden Jahre 23-mal wiederholt und kam 1776 ans Burgtheater, wo es bis Mitte des 19. Jahrhunderts im Repertoire blieb. Eine Nebenfigur, die munter-naive Bauerntochter Rosine, wurde zur Paraderolle der Schauspielerin Maria Anna Adamberger (1752–1804). Bis heute kann man sie, in dieser Rolle porträtiert, im Pausenfoyer des Wiener Burgtheaters bewundern. Der Verfasser des Stücks, Johann Rautenstrauch, 1746 in Erlangen geboren, also ein Generationsgenosse Goethes, seit 1770 in Wien als Journalist und Dramatiker tätig, war während der "erweiterten Preßfreyheit" des josephinischen Jahrzehnts ein streitbarer Publizist, der sich nicht nur mit den Mächtigen anlegte, sondern etwa in der dreibändigen Broschüre Schwachheiten der Wiener (1784) auch seinen Landleuten einen Spiegel vorhielt.

Der Jurist und der Bauer ist auf den ersten Blick eine für die Wiener Theaterszene der 1770er Jahre typische Komödie, gleichermaßen satirisch und empfindsam, ein Produkt der Theaterreformen, die mit dem Namen Joseph von Sonnenfels verbunden sind. Die Satire gilt den zeitgenössischen Advokaten, die an der Streitlust der Menschen Geld verdienen. Allerdings gibt es auch einen ausnahmsweise edlen Juristen, den Advokaten Lanze, [End Page 95] der sich Hals über Kopf in Rosine, die Tochter des Bauern Kunz verliebt. Kunz, aufgeklärt und vernünftig, mit einem weichen Kern unter seiner rauen Schale, muss nun von seiner Abneigung gegen alle Juristen geheilt werden. Natürlich gelingt dies, und es kommt zum genretypischen Happy End. Aber ganz so eindeutig ist der gute Ausgang doch nicht, zumindest für heutige Leser. Die naive Rosine, die keinen Gedanken zu fassen wagt, den ihr Vater nicht sanktioniert hat, wechselt aus dessen Obhut nahtlos in die Obhut des Ehemanns, der von ihr erwartet, "ihren Mann zu lieben, und das Hauswesen zu regieren", aber "Bewahre!," ihm nicht beim "Studiren" zu helfen. Aufgeklärte Väter und Ehemänner—unmündige Töchter und Ehefrauen. Der Gedanke an Emilia Galotti liegt nahe. Und auch die Ehrenrettung der Juristerei gelingt am Ende nicht so erfolgreich, wie das Stück glauben macht. Denn Lanze kann Kunz zwar von seiner eigenen Rechtschaffenheit überzeugen, nicht aber vom Nutzen seines Berufsstands. Das System bleibt bestehen, die korrupten Advokaten und ihre Nutznießer werden sich nicht ändern.

Herausgegeben hat das Stück der Wiener Literaturwissenschaftler Mathias Mansky, der sich in den letzten Jahren erhebliche Meriten um die Erforschung der Wiener Theaterszene im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert erworben hat. Ein 18 Seiten umfassendes Nachwort informiert über den historischen Hintergrund und arbeitet auch die Widersprüche des Lustspiels heraus. Mansky hat bereits mehrere österreichische Dramen in der verdienstvollen Reihe "Theatertexte" des Wehrhahn-Verlags herausgebracht, in der Theaterstücke publiziert werden, "die im 18. Jahrhundert auf den Bühnen mit Erfolg aufgeführt wurden," also vor allem "Lustspiele und Singspiele sowie Tragödien damals populärer und heute weitgehend unbekannter Theaterdichterinnen und -dichter". Der unter so manchen Literaturhistorikern und -historikerinnen beliebten Tendenz, ihre Thesen aufgrund einer eher beschränkten Textkenntnis aufzustellen, wird mit solchen lobendwerten Projekten vorgebaut. Es ist zu hoffen, dass dieses Angebot auch angenommen wird. [End Page 96]

Wynfrid Kriegleder
Universität Wien
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