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Reviewed by:
  • Schreiben als Widerstand. Elfriede Jelinek & Herta Müller. Diskurse.Kontexte.Impulse ed. by Pia Janke and Teresa Kovacs
  • Irina Hron
Pia Janke and Teresa Kovacs, Hrsg., Schreiben als Widerstand. Elfr iede Jelinek & Herta Müller. Diskurse.Kontexte.Impulse. Publikationen des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums 15. Wien: Praesens, 2017. 504 S.

In ihrer Essaysammlung Der König verneigt sich und tötet beharrt Herta Müller darauf, dass Sprache "zu keiner Zeit ein unpolitisches Gehege [war und ist]." Folgerichtig konzentriert sich der von Pia Janke und Teresa Kovacs herausgegebene Sammelband Schreiben als Widerstand. Elfr iede Jelinek & Herta Müller auf die politischen und oppositionellen Aspekte hinsichtlich des Gesamtwerks der beiden Nobelpreisträgerinnen. Als Resultat dreier Symposien (Bukarest–Wien–Temeswar) mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung erweist sich der Band als materialreiches Konvolut nicht nur für jene LeserInnen, die sich mit Werk und Person der beiden Schriftstellerinnen befassen wollen, sondern auch für jene, die sich für diverse Aspekte österreichischer bzw. rumänischer Zeitgeschichte und Politik nach 1945 interessieren.

Auf die Einleitung, in der die Herausgeberinnen auf wenigen Seiten das Programm, den wissenschaftlichen Anspruch sowie die grobe Gliederung des Bandes skizzieren, folgt erfreulicherweise ein Intro-Kapitel, in dem die Stockholmer Nobelpreisreden beider Autorinnen dem Band als "poetologische Grundsatztexte" (11) vorangestellt werden. Auf diese Weise lassen sich höchst überzeugend sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die (maßgeblichen) Unterschiede zwischen den Poetologien der beiden Schriftstellerinnen veranschaulichen, ohne dass die prominenten Texte einer Kommentierung von dritter Seite bedürften. In sieben umfangreichen Sektionen setzen sich daran anschließend zahlreiche LiteraturwissenschaftlerInnen und HistorikerInnen, aber auch SchriftstellerInnen wie etwa Ruth Klüger oder Robert Schindel, TheatermacherInnen wie beispielsweise Michael Thalheimer oder Rita Thiele, aber auch SchauspielerInnen wie Andrea Eckert und Sylvie Rohrer mit Leben und Werk der beiden sprachmächtigen Autorinnen auseinander. Auf diese Weise entkommt der Band einer streng literaturwissenschaftlichen Ausrichtung, bietet den LeserInnen stattdessen eine Polyphonie der Stimmen und Meinungen an, wodurch ein sehr viel facettenreicheres Bild der beiden Autorschaften entsteht. Dies trifft auch auf das Verhältnis der einzelnen Sektionen zueinander zu: Die ersten beiden großen Kapitel mit Schwerpunkt auf "Politische Kontexte" sowie das Verhältnis "Österreich–Rumänien" befassen sich ausführlich mit dem zeitgeschichtlichen Hintergrund zu den jeweils vorherrschenden politischen [End Page 106] Systemen und Umbrüchen in Österreich bzw. Rumänien und reichen von einer fundierten "vergleichende[n] historische[n] Analyse der Entwicklung von Diktaturen" (37), wie sie beispielsweise Oliver Rathkolb vornimmt, bis zur erschreckend aktuellen Darstellung der in Österreich nach 1945 beinahe ungebrochen fortbestehenden Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, wie Thomas Schmidinger ausführt. Anton Sterbling und Roman Hutter konzentrieren sich hingegen in ihren aufschlussreichen Beiträgen auf Rumänien und den zeitgeschichtlichen Entwicklungskontext, der zwischen "Prager Frühling" und kommunistischer Diktatur angesiedeltist, sowie auf die komplexe Problematik des Rumäniendeutschen. Das Anliegen, nicht nur die Kontraste, sondern darüber hinaus auch die Verbindungslinien zwischen den Herkunftsländern der beiden Nobelpreisträgerinnen aufzuzeigen, ist durchaus legitim und mündet in Karin Cervenkas essayistischem Beitrag "Wien Bukarest retour?" in eine Darstellung, die beinahe etwas von dem "fremden Blick" hat, wie Herta Müller ihn beschreibt. Weniger überzeugend, auch weil die ästhetischen Bezugspunkte zur Thematik des Bandes zusehends in den Hintergrund treten, ist dagegen der Versuch, die österreichisch-rumänischen Wirtschaftsbeziehungen oder die Austauschund Vermittlungsprogramme in die Diskussion zu integrieren—so relevant diese für einen grenzüberschreitenden Dialog auch sein mögen.

In der vierten Sektion werden anhand von Schlagwörtern wie "Sprache. Politik.Subversion" die Schreibverfahren von Jelinek und Müller eingehender betrachtet. Als besonders ergiebig erweisen sich hierbei Konzepte des "Widerständigen Schreibens" (Teresa Kovacs) oder des "Widersprechens" (Christa Gürtler/Maria Sass). Letzteres erlaubt es den Diskutantinnen, die zwei Autorinnen auf erhellende Art und Weise in ihrem jeweiligen literarischen Kontext bzw. der sie umgebenden Literaturszene in Österreich/Rumänien zu verorten, während Kovacs ihrem kenntnisreichen Artikel das Prinzip der Subversion zugrunde legt und nach "Formen der Unordnung" (237) sowie nach Leerstellen und neuen Sprach-ordnungen fragt. Kritisch hinterfragen ließe sich hierbei die Wahl der Definition von Dissens, die sich sicherlich noch verfeinern ließe. Dies schmälert jedoch nicht die Bedeutung des Beitrags, der aufzeigt, dass eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen Jelinek und Müller im...

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