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Reviewed by:
  • Jüdische Geistesarbeit und andere Aufsätze über Jakob Frank bis H. G. Adler by Manfred Voigts
  • Walter Tschacher
Manfred Voigts, Jüdische Geistesarbeit und andere Aufsätze über Jakob Frank bis H. G. Adler. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2016. 418 S.

Der vorliegende Band enthält achtzehn gesammelte Aufsätze zu diversen Themen und Personen, die das jüdische Geistesleben vom Ausgang des 18. Jahrhunderts bis in unsere Gegenwart behandeln. Einige der Aufsätze ergänzen [End Page 135] sich, wie etwa die Arbeiten zu Kafka (vier Aufsätze) oder zu Gershom Scholem (zwei Aufsätze), obwohl sie sicher nicht als zusammengehörig geplant waren. Es geht dem Autor in erster Linie darum, “die Breite, Offenheit und damit Widersprüchlichkeit im jüdischen Denken darzustellen” (7).

Der umfangreiche einleitende Text “Das Ende der David Tradition” behandelt das für die jüdische Geschichte sehr komplexe Thema des Messianismus am Beispiel des 1726 in Polen geborenen “letzten Messias-Prätendenten” (7) Jakob Frank, auf den die sogenannte Frankismusbewegung zurückgeht. Gehörte Frank nach Gershom Scholem zu den “abstoßendsten Erscheinungen der jüdischen Geschichte [ . . . ], korrupt und verdorben” (32), so zeigt Voigts akribische Studie, dass Frank dennoch diskussionswürdig ist, weil man an ihm den “Übergang vom Ghetto-Juden [zu einem Anhänger der] Französischen Revolution” (33) darstellen könne. Voigt will das Schurkenhafte an Frank gar nicht leugnen, das gehört zur Widersprüchlichkeit der Person und der Zeit, aber die fragwürdigen Aspekte Franks, z.B. seine Konversion zum Katholizismus, schmälern seine Bedeutung für die Entwicklung des vor allem ostjüdischen Messianismus nicht.

In die Umbruchszeit der Französischen Revolution fallen auch die “oft radikalen Schriften” (7) von Heinrich Friedrich Diez, einem Freund Dohms, der 1781 in seinem Werk “Über die bürgerliche Verbesserung der Juden” für eine allmähliche Gleichstellung der Juden in der bürgerlichen Gesellschaft eintrat. Dem Großteil der gegen diese Schrift gerichteten Kritik gingen Dohms Vorschläge zu weit, während im Gegensatz dazu Diez argumentierte, dass Dohms Forderungen nicht weitreichend genug seien und die Juden “voraussetzungslos [ . . . ] vollwertige Mitglieder der Gesellschaft” (58) werden sollten. Der Grund für Diez’ Wirkungslosigkeit lag vor allem in den radikalen Prämissen seiner Vorschläge. Er hielt alle Religionen für “schädlich und überflüssig” (47), d.h., jüdische Emanzipation wäre nicht einfach durch Konversion zu erreichen, sondern nur durch die Aufgabe von Religion überhaupt, eine Position, die Diez allerdings im Alter wieder aufgab. Zweifellos ein Autor, der seiner Zeit voraus war, und verdient, wieder genauer gelesen zu werden.

Einen breiten Raum nehmen die Diskussionen über Franz Kafka und seinen Freundeskreis (Max Brod, Hugo Bergmann, Felix Weltsch) ein. Im Frühwerk von Brod, das “weitgehend unerforscht” (89) ist, untersucht Voigts die Aspekte des Indifferentismus und der Utopie und im Falle Bergmanns geht es ihm um die Erhellung eines Wirklichkeitsverständnisses, in dem Mathematik und Telepathie zueinander in Beziehung gesetzt werden, zwei [End Page 136] Bereiche, die Bergmann sein ganzes Leben lang faszinierten. Felix Weltsch schließlich wird als ein Denker vorgestellt, der sich Kafkas Werk als Philosoph und nicht als Literaturwissenschaftler nähert. Weltsch’ philosophischer Ansatz geht davon aus, dass sich der Widerspruch zwischen “Anschauung und Begriff—[ . . . ] Mystik und Ratio” (123) nicht lösen lässt, ja dass diese Widersprüchlichkeit fester Bestandteil der Realität sei und gerade in Kafkas Werken sichtbar werde. Voigts bekennt im Vorwort seines Buches, dass er sich sehr lange mit dem “verschlossenen” Autor Kafka auseinandergesetzt habe. Sicher würde er Peter Sprengel zustimmen, der in seiner Literaturgeschichte von 2004 über Kafka schrieb: “Der spezifische Rätselcharakter seiner Texte resultiert aus der Ambivalenz zwischen Bedeutungs-Suggestion und Bedeutungs-Verweigerung”. Voigt will dieses Rätsel nicht lösen, Kafka nicht entschlüsseln, seine Absicht ist es vielmehr, eine Erklärung für die “unendliche Deutbarkeit”, bzw. “die ständige Frage nach dem Sinn” (178) von Kafkas Werken zu finden. Eine mögliche Antwort bietet Kafkas Erfahrung mit dem Talmud. Die Literaturwissenschaft hat immer wieder versucht, Kafkas Werk jüdisch zu fundieren, ohne allerdings mit Resultaten aufwarten zu können, die durchwegs überzeugend wären. Voigts macht in seinem sehr detaillierten Aufsatz “Franz Kafka...

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