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  • Einleitung
  • Corina L. Petrescu, Alison Lewis, and Valentina Glajar

Geschichten der Gewalt hinterlassen Spuren nicht nur in den einzelnen Personen, die ihnen ausgeliefert sind, sondern auch in Menschengruppen, die mit den Ereignissen und Folgen von Gewalt zurechtkommen müssen. Umso schwerer ist die Verarbeitung dieser Handlungen, wenn sowohl die Täter als auch die Opfer derselben Gruppe angehören – sei es derselben nationalen, sozialen oder ethnischen Gruppierung. Dadurch wird nicht nur die Möglichkeit einer Distanzierung von den Gewalttaten, sondern auch das kollektive Erinnern daran erschwert.

Die politischen Regime des ehemaligen Ostblocks während des Kalten Krieges (1947–1991) waren Gewaltherrschaften. Sie kamen überwiegend mit Hilfe der sowjetischen Armee an die Macht, die in ihren Anfangsjahren auch dafür sorgte, dass ihnen diese Macht erhalten blieb, auch wenn es teilweise gegen den Wunsch und Willen der Bevölkerung war. Neben den Vertretern der jeweiligen kommunistischen Parteien existierten innerhalb dieser Regime die Geheimdienste, die gleichzeitig auch eine politische Polizei und ein Herrschaftsinstrument nach sowjetischem Vorbild waren. Die Aufgabe dieser staatspolizeilichen Organe war es, die Partei vor Angriffen des ,Feindes‘ zu schützen, die sowohl von außen als auch von innen kommen mochten. Die Geheimdienste des Ostblocks nahmen vor allem ihre eigene Bevölkerung ins Visier und scheuten nicht davor zurück, sie durch physische und psychische Gewalt zum Gehorsam zu zwingen. Zur Überwachung und Disziplinierung der eigenen Bevölkerung wurden vorzugsweise Personen aus dem gleichen sozialen oder beruflichen Milieu als Informanten oder Kontaktpersonen herbeigezogen, die unauffällig und lautlos die Repression durchsetzen sollten. Unterdrücker und Unterdrückte, Täter und Opfer lebten und wirkten zusammen in einem Netz von Beziehungen, dessen Komplexität erst nach dem Fall der Regime bekannt wurde und immer noch erklärungsbedürftig ist. Dieses Themenheft nimmt sich eine Annäherung an diese Zeit und die problematischen Beziehungen zwischen den post-kommunistischen Nachfolgegesellschaften [End Page 169] zweier ehemaliger Ostblockstaaten – der DDR und Rumänien – und ihren Geheimdiensten –Stasi (Staatssicherheitsdienst) und Securitate – vor.

Die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit bedeutete eine große Herausforderung für Prozesse des nationalen wie transnationalen Erinnerns. Gerade die ,,asymmetrische Beziehung extremer Gewalteinwirkungen,“ wie Aleida Assmann den stalinistischen Terror nennt, der in diesen Ländern herrschte, muss in den Mittelpunkt rücken. Dazu bedarf es, so Assmann, zwischen Tätern und Opfern eines ,,Erinnerungsvertrag[es]“, bevor das von den Einen verübte und den Anderen erlebte Trauma verarbeitet werden kann, um eine Grundlage für eine gemeinsame Zukunft legen zu können (Assmann, Gewalt, 45–46). Eine solche Zukunft ist notwendig für die Befriedung und Aussöhnung der Gesellschaft, damit sie nicht in einem endlosen Teufelskreis der Gewalt endet. Assmanns ,,Erinnerungsvertrag“ erkennt das Leid der Opfer ,,auf der Basis der Menschenrechte“ an und zollt sowohl den ermordeten als auch den überlebenden Opfern die Anerkennung, dass ihre Zeugenschaft als Teil der Erinnerungskultur sowohl der Opfer als auch der Täter angenommen wird. So ist das Erinnern auf die Zukunft ausgerichtet und kämpft gegen das Vergessen einer traumatischen Vergangenheit (Assmann, Gewalt, 45).

Die offene und öffentliche Aufarbeitung der Vergangenheit wurde in nahezu allen Staaten des ehemaligen Ostblocks angestrebt, als man seit den neunziger Jahren Kommissionen und Behörden einrichtete, die den Umgang mit den Akten der ehemaligen Geheimdienste normieren sollten. Diese Institutionen leisten auch nach mehr als fünfundzwanzig Jahren seit dem Ende des Kalten Krieges einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Vergangenheit. Auf der einen Seite organisieren sie die Erfassung der Unterlagen der ehemaligen Geheimdienste und regeln den Umgang mit diesen Akten, so dass die Einflussnahme der Staatssicherheitsdienste auf Individuen oder Gruppen und deren Schicksal aufgeklärt werden kann.1 Auf der anderen Seite fördern sie eine neue Erinnerungskultur, indem sie Betroffenen, Tätern aber auch Forschern Zugang zu den Akten gewähren. So kann jede Akte aus mehreren Perspektiven betrachtet werden, die einander ergänzen und ein mehrstimmiges Erinnern ermöglichen. Aleida Assmann nennt diese Art mit der Vergangenheit umzugehen ,,dialogisches Erinnern“ und definiert sie als eine Art des historischen Erinnerns, in dem die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, nicht nur aus den drei ,,sanktionierten“ – die der Täter, der Opfer oder der Märtyrer–, und im Dialog miteinander betrachtet wird (Assmann, Gewalt, 48). So entsteht, laut Assmann, ,,die wechselseitige...

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