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  • Der “Ostfaktor.” Die österreichische Wirtschaft 1989–2009 by Dieter Stiefel
  • Michael Gehler
Der “Ostfaktor.” Die österreichische Wirtschaft 1989–2009. By Dieter Stiefel. Vienna: Böhlau, 2009. Pp. 292. Cloth €29.90. ISBN 978-3205783947.

Der gehaltvolle Band gliedert sich mit “Politische Dimension,” “Wirtschaftliche Praxis,” und “Volkswirtschaftlicher Überblick” in drei Abschnitte. Zum ersten: Wiens Bürgermeister Michael Häupl bezeichnet 1989 als “Nullpunkt der aktuellen Entwicklung” (17). Gleichzeitig habe “die Geschichte … in dieser Zeit unserer Weltgegend wieder begonnen” (23). Er untermauert dies mit drei Beispielen. Österreichische Unternehmer investierten in Mittel- und Osteuropas Ländern (MOEL), was den heimischen Standorten zugute gekommen sei; 2008 wären in Österreich und Wien mehr Menschen beschäftigt als 1990; und das Land gehöre nach wie vor zu einem der reichsten der Welt. Für Häupl ist der “Ostfaktor” die “für viele durchaus unerwartete Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit, die die EU mit der Erweiterung bewiesen hat” (23). Damit sei die Europäische Union ein politischer “player” (23) geworden. Europa-Staatssekretär a. D. Hans Winkler schließt sich an, indem er Österreichs Perspektiven von 1989 bis 2009 am Beispiel des Europarats, der “regionalen Partnerschaft” (29–32) und des “Westbalkans” (33–35) skizziert. Im zweiten Teil kommen Praktiker wie der Ostpionier Herbert Stepic von Raiffeisen International, Gabor Lehel von Vienna Insurance Group, Brigitte Ederer von Siemens AG Österreich, Elmar Wieland von Schenker AG, Franz Jurkowitsch von Warimpex Finanz- und Beteiligungs AG, Arnold Schuh von die Wirtschaftsuniversität, und ihre Rollen als Ostfaktoren zum Zuge. Im dritten Abschnitt liefert Herausgeber Dieter Stiefel einen informativen Überblick über Österreichs Wirtschaft 1945–1989 unter dem Titel “Der kalte Wind der Geschichte.” Mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bestand von österreichischer Seite allerdings nie ein “Assoziationsvertrag” (98), sondern vor 1989 lediglich Zoll- und Handelsverträge. Der Strukturwandel der österreichischen Ökonomie und ihre Integration in den Welthandel, v. a. in die europäische Wirtschaft, wird von Stiefel gut herausarbeitet.

Stiefel begreift Österreich als Glücksfall, noch vor dem Eisernen Vorhang platziert zu sein. Seit den neunziger Jahren hätte seine Rolle mit der “Brückenfunktion” (112) und der Neutralität zu den Transformationsländern keine Rolle mehr gespielt, was zu diskutieren bleibt. Fritz Breuss vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung untersucht die österreichische Ökonomie seit der Ostöffnung. Der mit zahlreichen Grafiken, Statistiken, und Tabellen untermauerte Beitrag zeigt, wie stark Österreich von der Ostöffnung wirtschaftlich profitiert hat: Erhöhtes Wirtschaftswachstum, Beschleunigung der Beschäftigung, verstärkte Teilnahme an der Globalisierung, steiler Anstieg der Exporte und ausländischen Direktinvestitionen sowie eine verbesserte Handels- und Leistungsbilanz werden genannt, “insgesamt ein großer Erfolg, nicht aber für alle Beteiligten” (153), wie Breuss resümiert. Michael Landes-mann untersucht den “Ostfaktor” als Herausforderung der ost-west-europäischen [End Page 468] Wirtschaftsintegration. Positiv verweist er auf die Internationalisierung der Ökonomie, v. a. auch auf die breit gestreuten Klein- und Mittelunternehmen. Negativ bewertet er die Versäumnisse beim Ausbau der Transport-Infrastruktur in die MOEL und den Mangel an Erkenntnissen der Schaffung eines integrierten Forschungs- und Wissenschaftsraumes mit Österreich als Drehscheibe. Die österreichische Politik war “vollkommen fehlgeleitet” (171), v. a. im Umgang mit der Arbeitsmarktintegration bezüglich der Nachbarländer. Die neunziger Jahre waren von mangelnder Öffnung, schleppenden Reformen an den Universitäten und fehlendem strategischen Handeln eine Zeit der verpassten Chancen.

Peter Zöllner von der Österreichischen Nationalbank unterscheidet drei Phasen der Ostöffnung für die Währungspolitik—Pionierphase 1989–1998, Wachstumsphase 1999–2007, und Konsolidierungsphase ab 2008—wobei die weltweite Finanzkrise die letztere dann rasch überschatten sollte. Josef Wallner beleuchtet den “Ostfaktor” hinsichtlich der österreichischen Arbeitsmarktpolitik: Arbeitnehmer/innen profitierten weniger von der Erweiterung. Sie wurden stärker von Nachteilen und Risiken betroffen. Höhere Beschäftigungslosigkeit und Lohndruck waren kennzeichnend. Wallner hält die Erweiterung aber politisch für notwendig und wirtschaftlich für sinnvoll, wenngleich ein ungelöstes Verteilungsproblem sie überlagerte. Friedrich Schneider vergleicht den Stand der Schattenwirtschaft für fünfundzwanzig Transformations-länder im Zeitraum von der Jahrtausendwende bis 2006–2007. Das Ausmaß reichte bis zu 40 Prozent. Die Gründe sind vielfältig: Regierungsaktivität, Steuerpolitik, und Regulierung. Die Regierungen hatten gar kein allzu großes Interesse, die Schattenwirtschaft abzubauen: Die Steuerverluste hielten sich in...

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