In lieu of an abstract, here is a brief excerpt of the content:

Nackte Kaiser und bärtige Frauen: Überlegungen zu Macht, Autorität, und akademischem Diskurs* Angelika Bammer "Immer wenn ich an der Uni die Männer herumlaufen sehe mit ihren Barten und ihren Tweedjackets, muß ich lachen. Aber als ich in den Senat gewählt wurde, meinte ich, ich müßte mir nun auch unbedingt eine Pfeife und einen Bart zulegen. Sonst würde mich niemand ernst nehmen." (Antonina Gove, im Gespräch) "Ist das eine Frau mit Bart?" Ganz erstaunt ist ein kleiner Junge, der seine Mutter anstößt und sagt: "Guck mal, eine Dame mit Bart!" Sie reagiert verschämt. Peinlich, peinlich ist es ihr. . . . Weil sie nicht weiß, dass es eigentlich ganz selbstverständlich sein sollte, daß auch Frauen Barte haben? Und sie jetzt ihrem Kleinen nicht mehr erklären kann, daß es so etwas eigentlich gar nicht gibt? Oder weil sie nicht in meiner Anwesenheit erklären möchte, daß ich gar keine richtige Frau bin!!? (Margina Staib, Emma, April 1980, S. 52) Bart, der: 1. Im Gesicht des Mannes auftretender starker Haarwuchs. . . . (ugs.:) jetzt ist der Bart [aber] ab! (nun ist Schluß!) (Der Große Duden: Band 2 {Stilwörterbuch}) In einem 1971 geschriebenen Aufsatz, "Ecrivains, intellectuels, professeurs", beschreibt Roland Barthes seine Erfahrung als "öffentliche Person", als Professor, als jemand, der unter dem Vorwand, Wissen auszugeben, einen Diskurs darstellt. Was er dabei empfindet, ist jedoch etwas ganz Anderes. Was er erfährt, am eigenen Leibe, ist nämlich daß es zwar offiziell um die Vermittlung von Wissen gehen soll, daß aber er—der Darsteller—im Akt des Darstellern zum eigentlichen Schauspiel wird. Ein Vortrag, eine Vorlesung, wird somit unter anderem eine Selbstin- szenierung: ich stelle mich dar als Autorität (als Professor); der professorale Diskurs ist dabei mein Hauptmedium. Jedoch derselbe Diskurs, der Autorität aufbaut, baut sie wiederum ab: "Zu Beginn meines Exposés bin ich mit einem langen, falschen Bart ausgestattet , der durch meinen Redefluß immer mehr aufgeweicht . . . sich langsam aber sicher vor aller Augen auflöst."1 Der Bart des Professors, wie Pfeife und Diskurs, ist Attrappe einer bestimmten Inszenierung. Die Attrappen stellen Autorität dar und stellen sie gleichzeitig als künstlich, d.h. als Konstrukte, bloß. Die Dialektik zwischen Verantwortlichkeit und Betroffenheit, die problematische Widersprüchlichkeit unserer Verfangenheit in Systemen, in denen, wie in dieser Anekdote veranschaulicht wird, unsere Beziehung zu Macht oft ambivalent und widersprüchlich ist, ist von Barthes immer wieder und aus allen möglichen Perspektiven untersucht worden. Es ist eine Problematik, die uns in der heutigen, "postmodern" genannten, Zeit zunehmend bedrängt.2 Sie betrifft das Verhältnis zwischen Macht und Sprache, Politik und Moral, Subjekivität und Authentizität. Für Feministinnen sind dies zentrale Fragen. Deshalb finde ich Barthes für feministische Arbeit besonders interessant und wichtig.3 Dabei scheinen mir zweierlei Aspekte von besonderer Bedeutung: erstens, sein methodischer Ansatz, in dem das komplexe Ineinanderverwobensein der verschiedenen Bereiche, die unser Sein und Handeln bestimmen, betont werden; zweitens, die Konsequenz, die er daraus zieht, nämlich, daß unser Denken und Handeln vom Bewußtsein dieser Kontingenzen getragen sein muß. Mit dieser selbstreflektierenden, Systeme kritisch in Frage stellenden, und gleichzeitig engagierten Haltung kann Barthes zwischen dem postmodernen Dekonstruktionsprojekt und dem politischen Projekt des Feminismus als Vermittler dienen. Im Kontext einer philosophischen und, zumindest in Ansatz und Intention, gesellschaftskritischen Dekonstruktion wird die Autorität des konventionellen, wissenschaftlich-akademischen Diskurses unterwandert: "Man/n spricht, aber nur weil das Symbol ihn zum Mann gemacht hat."4 Das sich objektivierende Subjekt—das "man"—wird dezentriert, seine Autorität entthront.5 In dieser Hinsicht ist Dekonstruktion feministischem Denken nicht nur theoretisch verwandt, sondern in historischer Praxis verbunden. Denn beide stellen eine Kultur, in der das Wort des Vaters Macht und Autorität darstellt ("Am Anfang war das Wort . . . und das Wort war Gott"), grundlegend und grundsätzlich in Frage. Das kritische Bewußtsein um Sprache als Mittel und Maßstab der Macht hat feministische Theorie und Praxis von Anfang an entscheidend geprägt. Angesichts der Schwierigkeit, Frauenerfahrung in der gegebenen ("Männer")Sprache zu artikulieren, wurde die Forderung nach einer anderen, neuen, ("Frauen")Sprache laut. Immer, so hieß es, hat man/n für Frauen, an ihrer Statt, gesprochen; nun sei es...

pdf