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HELLMUT AMMERLAHN Der Strukturparallelismus von Wilhelms kreativer, bildender und tätiger Vergangenheitsbewältigung in Goethes Meister-Romanen Laß den Anfang mit dem Ende / Sich in eins zusammenziehn! SchneUer als die Gegenstände / Selber dich vorüberfliehn. Danke, daß die Gunst der Musen / Unvergängliches verheißt, Den Gehalt in deinem Busen / Und die Form in deinem Geist. "Dauer im Wechsel" (1803) TN DER SCHLUßFASSUNG DER WANDERJAHRE von 1829 vernehmen -'-wir von einem entscheidenden Jugenderlebnis Wilhelms, das weder in der etwa fünfzig Jahre vorher begonnenen Theatralischen Sendung, noch in den Lehrjahren (1796), noch Ui der ersten WanderjahreFassung von 1821 erwähnt wüd. Wilhelm berichtet NataUe in seüiem vierten Brief von einer spontan aufblühenden Freundschaft sowie einer KindesUebe und wie beide von einem Schicksalsschlag abrapt zerstört werden. Den "Vorgeschmack glücklicher, paradiesischer Stunden" hatte schon der FamUienausflug Ui die freie Natur, Ui die sonnendurchflutete Landschaft vermittelt (W 27O).1 Am Vormittag erfaßt Wilhelm die Freundschaft zu einem wenig älteren Fischerjungen. Als die Knaben, deren "Gemüter" sich anzogen, nach dem Schwimmen unverhüüt einander gegenüberstehen, geht Wilhelm an dem neuen Freund die Schönheit der menschüchen Gestalt auf. Am frühen Nachmittag, da er Hand Ui Hand mit der sanftmütigen Tochter einer befreundeten FamÜie den Garten durchschreitet, ergreift ihn das "Vorgefühl von . . . Liebe." Ein einzigartig blütenreicher Pfüigsttag umschüeßt für Wilhelm die beiden tiefgreüenden Erlebnisse. Aus der Retrospektive des Briefes betrachtet er dieses "erste Aufblühen der Außenwelt als die eigentüche Originalnatur. . ., gegen die aUes übrige" und spätere verblaßt (W 273f). Unglücklicherweise vertreibt am Abend desselben Tages ein traumatischer Schicksalsschlag Wilhelm aus dem Paradies seines Glücks und hinterläßt einen lebenslangen, unvergeßüchen Schmerz. SeUi Freund, zusammen mit vier anderen Knaben, ist im Fluß ertranken. Das Goethe Yearbook 155 Trauma, das dem höchsten Glücksgefühl folgt, zusammen mit der späteren Erkenntnis, daß die "für tot Gehaltenen" (W 279) höchstwahrsche üüich durch heüskundigen Eingriff hätten wiederbelebt werden können, stehen die Grundlage dar für Wilhelms Entschluß zur Tat, zur Ausbüdung als Wundarzt Ui der zweiten Hälfte der Wanderjahre. Daß Uim dieses geUngt, zeigt das Ende des Romans mit der Rettung seines eigenen Sohnes. Wilhelm rettet FeUx vom "Ertrinken" Ui doppelter Hinsicht, aus dem Strom der Leidenschaft, insofern Felix hinfort mit Wilhelm als "Bruder," vereint mit ihm wie Kastor mit PoUux, "leben" will, wie vorher aus dem Fluß, m den ihn die ungestüme Leidenschaft abstürzen ließ. Wilhelms Verwandlung des schmerzhaften Küidheitserlebnisses in lebensförderndes Wissen und angemessene Mittel der Heüung führt zur Überwindung des Traumas. Die Glücks- und Verlusterlebnisse, die seinem Ausbüdungsprozeß sowohl den auslösenden Anstoß wie die anhaltende innere Dynamik verleihen, folgen einem Strukturmuster, das sich bereits Ui den Lehrjahren findet. Man kann behaupten, daß Goethe zur Durchgestaltung sowie zur Abrundung der zweiten Fassung seines Altersromans zum Anfang, zur Mitte und zum Ende der Lehrjahre zurückkehrt. Dort Uegt dieselbe grundlegende Struktur vor, allerdings durch die vielverflochtene Erzähltechnik und die Symbolik der Gestalten Ui ein "offenbares Geheimnis" gehüüt.2 Methodologisch stützt sich die folgende Analyse auf künstlerischformale StrukturparaUelen, die Ui Wort- und BUdanalogien, Ui Verdoppelungs - und Verkoppelungsstrategien, Ui symmetrischen, zyküschen, spüaüörmigen und umgekehrt proportionalen Anordnungen der Episoden und Figuren, sodann Ui Leitmotiven, Ui der Rahmentechnik und Ui gegUederten Ganzheitsgebilden beider Romane vorUegen. Narratologisch steht Goethes spezüische Gestaltung seines "EbenbÜdes" WUhelm als Poet, Erzähler, Briefschreiber und fiktive Schöpfergestalt—mit dessen Doppelgängern—Un Zentrum der Analyse. Die üonischdistanzierte und gleichzeitig unauffäUig didaktische Verarbeitung von Wilhelms Leiderfahrungen und seiner stufenweisen Ausbüdung soU au- ßerdem als Spiegelung ähnücher Ereignisse Un Leben des Dichters durch dessen autobiographische Zeugnisse, aUerdüigs begrenzt Un Umfang dieser Arbeit, dokumentiert werden. Inhaltiich ist eine dreiteüige GUederung vorgesehen. Der erste und dritte Abschnitt der Studie wenden sich der Thematik "Kreativität und geforderte Meisterschaft" Ui ihrer vielfältigen Auffächerung, mit ihren psychologischen, kognitiven und ethischen Implikationen in beiden Meister-Romanen zu. Es soU gezeigt werden, wie der Autor den fiktiven Helden die meisten Handlungen d...

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