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Reviewed by:
  • Nietzsche and the Feminine
  • Roger W. Müller Farguell (bio)
Peter J. Burgard ed., Nietzsche and the Feminine. Charlottesville and London, University Press of Virginia. 1994, 349 pp.

Wo Nietzsches Philosophieren mit Hammer und Peitsche auf das Feminine in der Philosophie stößt, wird eine klirrende Dissonanz vernehmlich, die die Debatten um Nietzsches Misogynie gleich einem Tympanon begleitet. Inmitten solcher Dissonanzen fungiert der von Peter J. Burgard herausgegebene Sammelband Nietzsche and the Feminine gewissermaßen als Echolot, das die Distanz einerseits gegenüber einer Rezeption ermißt, der es genügt, bei dem Verdikt über Nietzsches Diskriminierung der Frau stehen zu bleiben, andererseits auch gegenüber einer Kritik dieser Ideologiekritik, die über das bloße Konstatieren einer Oszillation zwischen männlichen und weiblichen Positionen in Nietzsches Texten nicht hinausgeht. Distanzen ermessen heißt hier, sich dem Pathos von Nietzsches Distanzierungen nähern: Bereits die im Zarathustra prominent gemachte kleine Wahrheit des alten Weibleinsdu gehst zu Frauen? vergiß die Peitsche nicht!—hat Nietzsche in Jenseits von Gut und Böse einer meiner Wahrheiten zugeschlagen, die das Konzept von Wahrheit in eins individualisieren und pluralisieren. Damit weist sie das für seine Schriften charakteristische Potential einer rhetorischen Strategie auf, wodurch das philosophische Denken, dessen Liebe zur Wahrheit in agonalen Szenen mit Weib, Musik oder Leben allegorisiert wird, ins jeweils Widersprechende perspektivisch aufbricht. Ein Festhalten am hinlänglich kanonisierten Begriff des Perspektivismus würde die Diskussion über Nietzsche und das Feminine indes nur lähmen, wo doch Perspektivismus selbst, wie dies unlängst Gary Shapiro (1980), Alexander Nehamas (1983) und Tracy B. Strong (1988) ausgeführt haben, kein bestimmter point of view sein kann. Nietzsches ambiguosen Wahrheiten, die den Begriff der Frau und des Weiblichen betreffen, ist mit Axiomen schwer beizukommen. Seine Theoreme gehen zu bestehenden Perspektiven auf Distanz, setzen das Selbst geflissentlich dem Irrtum aus und provozieren geradezu den expliziten Widerspruch, um darin sich-selbst-wieder-sprechen hören zu können, wie es im Zarathustra heißt, um dadurch das Selbst in der Beziehung zum Anderen zu überwinden. Konsequent werden in diesem Sammelband denn auch rhetorische Strategien der Wahrheitsfindung verhandelt, die sich anheischig machen, Werte, zumal auch widerwärtige, umzuwerten. [End Page 658]

Peter J. Burgard ist es in seiner Einleitung gelungen, den Katalog einschlägiger Sentenzen zum Frauenbild Nietzsches zu zernieren und dessen Frauenfiguren als rhetorische Konstrukte aufzulösen. Seine These, Frauen bildeten eine Figur in Nietzsches Texten, die den Gegensatz von Wahrheit und Lüge unterläuft, wird durch eine zweite These ergänzt, wonach die hyperbolische Geste in Nietzsches Philosophie auch die Frauenfiguren bestimmt: If excess characterizes Nietzsche’s philosophy, then we could say that woman is a figure of that philosophy by the virtue of being a central figure of excess in it. (15) Dieser theoretische Gestus von Ambivalenz und Hyperbolik bestimmt auch die vierzehn Essays, die vom Herausgeber in sechs Rubriken, Mothers, Figures of the Feminine, Beyond Antifeminism, Feminist Philosophy, Digression und Supplements eingeteilt wurden. Bei aller Individualität konzentrieren sich die meisten Aufsätze auf die Figuralität der Frau, stets mit Bedacht auf Nietzsches Texte, die solche Figuralität dezentriert und defiguriert.

Sarah Kofmann liest die genealogischen Rekonstruktionen von Mythos und Moral in Nietzsches Werk als Familienroman im freudschen Sinne (A Fantastical Genealogy: Nietzsche’s Family Romance), allerdings mit umgekehrten Vorzeichen, insofern nicht dem Vater, sondern der Mutter die Rolle einer zentralen Konfliktfigur zukommt: Seine zuweilen heftig artikulierte Abneigung gegen die Mutter, Franziska Oehler, von der er sich mit Begriffen wie canaille und giftiges Gewürm abkehrt, habe Nietzsches Frauenbild präfiguriert. Diese Abwertung der Mutter werde durch einen genealogischen Regreß auf Großeltern und Ahnenschaft kompensiert (Man ist vielmehr das Kind seiner vier Großeltern als seiner zwei Eltern), den Nietzsche sukzessive auf eine Nobilitierung der Rasse als fiktionales Konstrukt übertragen habe. In eklektischer Weise rekonstruiert Kofman in der Folge die Substitution der physiologischen Familie durch eine imaginäre, namentlich Richard und Cosima (Ariadne) Wagner, die Nietzsche als seines Gleichen anerkennen wollte, gepaart mit einer erträumten, geistigen Ahnenschaft, deren Genealogie sich von Zoroaster über Heraklit, Dionysos, Cäsar und Alexander bis hin zu Napoleon Bonaparte erstreckt. Eine methodische Orientierung erfährt diese Analyse vor allen Dingen durch die Kastrationstheorie...

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