[BOOK][B] Der Verlust der natürlichen selbstverständlichkeit: ein Beitrag zur Psychopathologie symptomarmer Schizophrenien

W Blankenburg - 1971 - academia.edu
W Blankenburg
1971academia.edu
Die Phänomenologie hat in der Psychiatrie bereits eine lange Tradition hinter sich. Karl
Jaspers führte sie 1913 mit der ersten Auflage seiner» Allgemeinen Psychopathologie «in
das Methodenrepertoire der Psychopathologie ein (Jaspers 1912, 1913). Schon bei Jaspers
reduzierte sich das Prädikat» phänomenologisch «nicht auf eine angeblich vorbehaltlose
Beschreibung objektiver Fakten, was lediglich dem empiristischen Verständnis des Wortes
gleichkäme. Nein, Jaspers verstand hierunter das Nachfühlen und Beschreiben von …
Die Phänomenologie hat in der Psychiatrie bereits eine lange Tradition hinter sich. Karl Jaspers führte sie 1913 mit der ersten Auflage seiner» Allgemeinen Psychopathologie «in das Methodenrepertoire der Psychopathologie ein (Jaspers 1912, 1913). Schon bei Jaspers reduzierte sich das Prädikat» phänomenologisch «nicht auf eine angeblich vorbehaltlose Beschreibung objektiver Fakten, was lediglich dem empiristischen Verständnis des Wortes gleichkäme. Nein, Jaspers verstand hierunter das Nachfühlen und Beschreiben von subjektivem Erleben, was für ihn die wesentliche Grundlage einer jeden Psychopathologie darstellte. Seither hat sich der Phänomenologie-Begriff innerhalb der sog.» Phänomenologischen Psychia trie «stark gewandelt (Tatossian 1979, 2002). Dennoch gehen bis heute alle Analysen dieser Schule von Jaspers’ Grundthese aus, dass»[d] ie eindringende Versenkung in den einzelnen Fall (…) phänomenologisch oft das Allgemeine für zahllose Fälle «lehrt. Diese These kann als Paradigma für den Ansatz der Einzelfallstudie bezeichnet werden. Obgleich heute die» subjektorientiere Psychiatrie «in aller Munde ist, scheint die Einzelfallstudie in tiefer Vergessenheit. Auch wird von der heutigen Sozialpsychiatrie nur wenig beachtet, dass eben diese Subjektorientierung den Kern des phänomenologischen Denkens ausmacht und die Phänomenologische Psychiatrie für die ersten sozialpsychiatrischen Reformen entscheidend war (Thoma 2012).
Umso erfreulicher ist es daher, dass Wolfgang Blankenburgs Einzelfallstudie» Der Verlust der natürlichen Selbstverständlichkeit «(1971, 2012) vom Parodos-Verlag neu aufgelegt wurde. Diese Arbeit kann als einer der Höhepunkte der phänomenologisch-psychiatrischen Literatur bezeichnet werden. Blankenburg entfaltet darin ausgehend von der hebephrenen Schizophrenie
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