[BOOK][B] Kolner Zeitschrift fur Soziologie und sozialpsychologie

R Konig - Springer
R Konig
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Der kritische Beobachter wird immer wieder erstaunt sein iiber das vollig unausgeglichene
Pendeln der offentlichen Meinung zwischen Gleichgiiltigkeit und hochster Alarmbereitschaft,
sobald das Problem der Jugendkriminalitat zur Sprache kommt. Auf der einen Seite steht die
Routine der alltaglichen Rechtspraxis, wie man sie etwa am Jugendgericht erlebe'll. kimn,
sowie die nicht weniger ausgefahrene Oherfliichlichkeit einer soziologisch ahnungslosen
Padagogik; auf der anderen Seite ein tiefes Erschrecken vor einzelnen Geschehnissen,(las …
Der kritische Beobachter wird immer wieder erstaunt sein iiber das vollig unausgeglichene Pendeln der offentlichen Meinung zwischen Gleichgiiltigkeit und hochster Alarmbereitschaft, sobald das Problem der Jugendkriminalitat zur Sprache kommt. Auf der einen Seite steht die Routine der alltaglichen Rechtspraxis, wie man sie etwa am Jugendgericht erlebe'll. kimn, sowie die nicht weniger ausgefahrene Oherfliichlichkeit einer soziologisch ahnungslosen Padagogik; auf der anderen Seite ein tiefes Erschrecken vor einzelnen Geschehnissen,(las darum um so nachhaltiger wirkt, als die Offentlichkeit nicht gewohnt ist, in soziologischen und noch weniger'in sozialpsychologischen Kategorien zu denken. Dazu kommt dann auch noch gelegentlich die Einwirkung Lestimmter Soziologen, cleren Augen angesichts der restaurativen Tendenzen der gegenwartigen Gesellschaft teilweise blind geworden sind fiir die Probleme der sozialen Desorganisation. So konnte ich vor einigen J ahren am gleichen Tage lesen, daB die J ugendkriminalitat im Nachkriegsdeutschland nur unwesentlich gestiegen sei, wah rend gleichzeitig ein Polizeibericht aus Miinchen die Aushehung eines Kinderhordells meldete. Offensichtlich stimmen beide Feststellungen nieht ganz iiberein. Aber dies ist gerade der Ausdrnek der erwahnten Unsicherheit auf diesem Gebiet. Wie groB diese tatsachlich ist, konnte man noeh jiingstens erfahren, als es ziemlich kurz naeheinander in mehreren GroBstadtcn Westdeutschlands zu schweren ZusammenstoBen zwischen Rotten Jugcndlicher und der Polizei kam. Die Presse iiberstiirzte sich in Kommentaren, die" im Tone von der iihlichen Litanei iiher die hose Jngend von heute bis zu allgemeinsten kultllrellen Anklagen reichten. Damals erfiillte£ las Klisehee von den" Halbstarken" die Funktion aller Stcrcotypen, namlieh durch Bannnng dnes besolllleren Tatbestandes in eine W ortformel die Gemiiter ganz unmittelbar zu beruhigen, was natiirlich auch zur Folge hatte, daB damit jegliehe Erforschung dieser an sieh nngemein interessanten plotzlichen Massenaktionen zusammengerotteter J ugendlidler im Keime unterbunden wurde. In diesem Sinne konnte man der Formel von den" halbstarken" Jugendlichen£ las Wort von den" halbschwachen" Erwaehsenen entgegenhalten, die in ihrer saturierten Unbeweglichkeit und moralischen Unbekiimmertheit jegliehe billigc
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