[BOOK][B] Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus

C Schmitt - 1926 - books.google.com
C Schmitt
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Di ie zweite Auflage dieser Abhandlung über die geistesgeschichtliche Lage des heutigen
Parlamentarismus ist im wesentlichen unverändert geblieben. Dadurch soll nicht zum
Ausdruck gebracht werden, daß sie sich über jede Diskussion erheben wollte. Eher besteht
Grund zu einer in etwa gegenteiligen Besorgnis. Eine unbeirrt wissenschaftliche Erörterung,
die sich jeder parteipolitischen Ausnutzung entzieht und niemandem Propagandadienste
tut, dürfte heute den meisten unpraktisch, weltfremd und anachronistisch vorkommen. Es ist …
Di ie zweite Auflage dieser Abhandlung über die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus ist im wesentlichen unverändert geblieben. Dadurch soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß sie sich über jede Diskussion erheben wollte. Eher besteht Grund zu einer in etwa gegenteiligen Besorgnis. Eine unbeirrt wissenschaftliche Erörterung, die sich jeder parteipolitischen Ausnutzung entzieht und niemandem Propagandadienste tut, dürfte heute den meisten unpraktisch, weltfremd und anachronistisch vorkommen. Es ist also zu befürchten, daß eine sachliche Diskussion politischer Begriffe wenig Interesse und der Wunsch nach einer solchen Diskussion wenig Verständnis findet. Vielleicht geht die Epoche der Diskussion überhaupt zu Ende. Die im Sommer 1923 erschienene erste Auflage dieser Abhandlung ist im allgemeinen so aufgenommen worden, daß derartige pessimistische Vermutungen sich auch an diesem bescheidenen Fall zu bestätigen scheinen. Dennoch wäre es unrecht, die vereinzelten Beispiele sachlicher Kritik zu miẞachten; insbesondere verlangt die eingehende und gedankenreiche Besprechung eines so hervorragenden Juristen wie Richard Thoma (Archiv für Sozialwissenschaften, 1925, Bd. 53, S. 212 ff.) eine ausführliche Erwiderung.
Die höchst phantastischen politischen Ziele allerdings, die Thoma am Schluß seiner Besprechung andeutungsweise bei mir vermutet, darf ich wohl mit Stillschweigen übergehen. Der sachliche, durch politische Kombinationen nicht beirrte Einwand geht dahin, daß ich die geistige Grundlage des Parlamentarismus in ganz veralteten Gedankengängen finde, weil ich Diskussion und Öffentlichkeit für die wesentlichen Prinzipien des Parlaments halte;
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