[BOOK][B] Deutsche grammatik

J Grimm - 1898 - books.google.com
J Grimm
1898books.google.com
Wenn ein wandersmann, über öde heiden, fonne und laft des tages getragen hat, und in der
dämmerung durch enggewundne gartenpfade heimzieht; legt er an ihres grafes thau den
ftaub feiner füße abftreifend mit fchon erfrischten gliedern und forgenfreier die letzten fchritte
zurück. In folch einem kühlenden behagen werden epiloge, welche wir unfern büchern
voran zu fetzen pflegen, niedergefchrieben, um rechenfchaft von dem geleisteten zu geben,
verfehltes zu entfchuldigen, allgemeineres nachzuholen. Oft erft zwiſchen jenen hecken …
Wenn ein wandersmann, über öde heiden, fonne und laft des tages getragen hat, und in der dämmerung durch enggewundne gartenpfade heimzieht; legt er an ihres grafes thau den ftaub feiner füße abftreifend mit fchon erfrischten gliedern und forgenfreier die letzten fchritte zurück. In folch einem kühlenden behagen werden epiloge, welche wir unfern büchern voran zu fetzen pflegen, niedergefchrieben, um rechenfchaft von dem geleisteten zu geben, verfehltes zu entfchuldigen, allgemeineres nachzuholen. Oft erft zwiſchen jenen hecken fallen uns die lefer ein, an die ich, ftill vor mich hingekehrt, unterwegs wenig gedacht hatte: urtheilen fie nun, ob ich ihrer nachficht wiederum theilhaft werden könne. Wer fich in unterfuchungen über die deutſche ſprache begibt, und darin aushält, wird mit freuden gewahren, wie das wefen und die gefchichte unferes volks in den eigenfchaften und fchickfalen unferer fprache fich abfpiegeln. Es sind zwei entgegengefetzte grundzüge, welche deutſche finnesart von jeher auszeichnen, treues anhängen an dem hergebrachten und empfängliches gefühl für das neue. wenig geneigt der angeftammten kraft ihrer natur zu entfagen waren die Deutſchen immer bereit alles geiftige in fich aufzunehmen. hieraus folgt der unterbrochne und ſchwierige gang unferer bildung, zugleich der weite lebensvolle grund den fie mit der zeit gewonnen hat. Bei allen völkern des mittelalters ſtehen zeichen fanfter verfeinerung und ſtarrer wildheit grell nebeneinander; welches andere hätte foviel finnliches im recht, heidnifches in der poefie, altväterifches in der fprache zu hegen gewuft? Die deutſche ſprache ift nicht ohne ſchmuck, und birgt ihn oft, nicht ohne flecken und narben, und verfteckt fie nie.
books.google.com