In lieu of an abstract, here is a brief excerpt of the content:

Reviewed by:
  • Crisis and Form in the Later Writing of Ingeborg Bachmann: An Aesthetic Examination of the Poetic Drafts of the 1960s by Áine McMurtry
  • Mireille Tabah
Crisis and Form in the Later Writing of Ingeborg Bachmann: An Aesthetic Examination of the Poetic Drafts of the 1960s. By Áine McMurtry. Cambridge: Modern Humanities Research Association, 2012. x + 250 pages + 1 b/w illustration. £19.99.

Die Kritische Ausgabe von Ingeborg Bachmanns ‘Todesarten’-Projekt (München und Zϋrich 1995) ermöglichte einen ersten ausführlichen Einblick in die Genese des geplanten Roman-Zyklus, von dem bekanntlich nur Malina vollendet und zu Lebzeiten der Autorin veröffentlicht wurde. 2000 erschien unter dem Titel Ich weiß keine bessere Welt (München 2000) eine Sammlung von bis dann unveröffentlichten lyrischen Entwürfen aus den frühen 1960er Jahren, die von der Kritik überwiegend als unverarbeiteter Ausdruck subjektiven Leidens abgelehnt und kaum genauer untersucht wurden. Die auf ihrer an der Universität London eingereichten Dissertation basierende Studie von Áine McMurtry füllt diese Lücke, indem sie die Bedeutung dieser Entwürfe als Übergang von Bachmanns lyrischer Produktion aus den 1950er Jahren über die Büchnerpreisrede “Ein Ort für Zufälle” (1965) bis zu der radikalen Prosa des Malina-Romans (1971) nachweist und damit die Untersuchung der Genese des ‘Todesarten’-Projekts auf der Grundlage bisher kaum berücksichtigter Texte überzeugend ergänzt.

McMurtrys zentrale These ist dabei, dass die fragmentarischen Gedichtentwürfe aus den frühen 1960er Jahren, die Bachmann nicht zur Publikation freigegeben hat, Ausdruck des ästhetischen Experiments sind, eine adäquate Form für die komplexe dialektische Beziehung zwischen äußerstem subjektivem Leid und dem allgemeinen Gewaltzusammenhang aus Nachkriegsfaschismus und Ausschluss des ‘Anderen,’ bzw. des ‘Weiblichen,’ zu finden, in den es sich einschreibt. Das persönliche Leid wird zum Paradigma des Leidens an der Kultur. Bachmanns Abkehr von der Lyrik und ihre Hinwendung zu der polyphonen Prosa des Malina-Romans hat, so McMurtry, es der Autorin ermöglicht, die subjektive Wiedergabe ihrer psychischen Krise aus der [End Page 160] lyrischen Ich-Perspektive in einen objektiven soziokulturellen Kontext einzubinden und sie somit zum indirekten Ausdruck soziokultureller Reflexion und Kritik zu machen.

Im ersten Kapitel ihrer Studie, “Writing in the 1960s,” führt McMurtry Bachmanns Suche nach einer “symptomatischen” (20) Schreibweise vor, durch welche der psychische und physische Zusammenbruch, den die Autorin nach der Trennung von Max Frisch Ende 1962 erlitt, zum Zeichen eines “Unbehagens” gegenüber der Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit in der deutschen und österreichischen Nachkriegskultur werden soll. Krankheit und extreme körperliche Schmerzen des weiblichen lyrischen Ichs, die in den Gedichtentwürfen immer wieder thematisiert werden und auch deren formale Struktur affizieren, versteht Bachmann, wie die zitierten Auszüge aus Briefen und den Kritischen Schriften (München 2005) belegen, als psychosomatische Symptome einer tieferen kulturellen Malaise. Die Darstellung des leidenden weiblichen Körpers soll zugleich jenes kulturell weiblich kodierte ‘Andere’ der zweckinstrumentalen Vernunft rehabilitieren, das von dieser ausgegrenzt wird. McMurtry zeigt die Ursache des Scheiterns dieses Experiments, nämlich die restlose Identifikation des weiblichen Ichs mit dem Leid, die auf formaler Ebene im Schweigen mündet und fatale inhaltliche Folgen hat: die Reproduktion der Opferrolle der Frau und ihrer Reduktion auf das Körperliche sowie die—wie McMurtry zu Recht unterstreicht—höchst problematische Identifikation des Ichs mit extremen Beispielen kollektiven Leidens, insbesondere mit den Opfern der Shoah, die einer privaten Vereinnahmung und damit Verharmlosung der Katastrophe gleichkommt.

Im zweiten Teil ihrer Arbeit, “The Case of the Berlin Writings,” weist McCurtry nach, wie die Erfahrung der Großstadt Berlin, wo Bachmann vom April 1963 bis November 1965 lebte, der Autorin dazu verhalf, aus der Sackgasse der Selbstviktimisierung eines weiblichen lyrischen Ichs herauszufinden. Die Verfasserin legt dar, wie in den Gedichtentwürfen aus dieser Zeit das geteilte Berlin zum Symptom der politisch-kulturellen Krise wird; die Ich-Perspektive wechselt mit dem unpersönlichen Pronomen “Es” ab, in dem, “Ein Ort für Zufälle” vorwegnehmend, das subjektive, nicht eindeutig nennbare Leid an der Nachkriegszivilisation objektiviert werde, wobei das Experiment mit verschiedenen Stimmen und Perspektiven (Ich/Du/Es), die genderkritische Spaltung der Schriftstellerinnenfigur in ein leidendes weibliches Ich und einen männlichen Repräsentanten der zerstörerischen Nachkriegskultur, die kulturkritische...

pdf