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  • Der Schritt durch den Rahmen. Bild und Weiblichkeitsmythos im Werk Brigitte Reimanns by Christina Müller
  • Silke von der Emde
Der Schritt durch den Rahmen. Bild und Weiblichkeitsmythos im Werk Brigitte Reimanns. Von Christina Müller. Bielefeld: Aisthesis, 2012. 289 Seiten + 9 farbige Abbildungen. €34,80.

Christina Müllers Studie zum Gebrauch von Bildern und deren Zusammenhang mit Weiblichkeitsmythen in Brigitte Reimanns Werk ist in zwei große Teile geteilt: Müller gibt zunächst einen Überblick sowohl über weibliches Schreiben außerhalb und innerhalb der DDR als auch über die Entwicklung feministischer Theorien in Europa und den USA, um dann im zweiten Teil, einem langen fünften Kapitel, eine gründliche Interpretation der wichtigsten Texte der Autorin vorzunehmen. Müller postuliert, dass Reimanns Gebrauch von Bildern, besonders das Auftauchen von Gemälden und Malerei, eng mit einer Thematisierung patriarchalischer Gesellschaftsstrukturen verknüpft ist. Während Müller in den frühen Texten eine Entwicklung der Figuren zu einer Akzeptanz der gesellschaftlichen Rollenzuweisungen als einen “Schritt ins Bild” feststellt (15), sieht sie in den mittleren Texten einen Schritt vom Individuum zum sozialistischen Kollektiv, wobei “die persönliche Entfaltung der Protagonistin immer mehr hinter die Bedeutung des sozialistischen Kollektivs zurück [tritt]” (15). In Reimanns letztem und unvollendeten Roman Franziska Linkerhand beobachtet Müller schließlich eine vollständige Abwehr der männlichen Einschreibung der Frau als Bild und Objekt, was aber gleichzeitig mit einer zunehmenden Sprachlosigkeit und Hysterie verknüpft zu sein scheint.

Nach dem Einleitungskapitel gibt Müller in Kapitel 2 einen Überblick über die Frauenbewegung der siebziger Jahre in den USA, Frankreich, West- und Ostdeutschland. Diese Gegenüberstellung ist interessant, da die kulturellen Besonderheiten dieser internationalen Bewegung deutlich werden: Müller zeigt den pragmatischeren Ansatz in den USA, gegenüber einer theoretischeren Orientierung in Frankreich. Außerdem betont sie die aggressivere und pessimistischere Grundhaltung in Westdeutschland und den Balanceakt der ostdeutschen Frauen zwischen der erfolgreichen Emanzipation [End Page 162] der Frauen im offiziellen Diskurs und der Realität der Doppelbelastung der Frauen im Alltag.

Ein langes drittes Kapitel befasst sich mit “Weibliche[m] Leben und Schreiben in der DDR” und gibt einen Überblick über die Entwicklung der Frauenpolitik in der DDR mit den frühen Bemühungen um eine juristische und ökonomische Gleichstellung von Frauen und Männern und der gleichzeitigen Gegenentwicklung, die Frauenpolitik auf eine “Muttipolitik” zu reduzieren und auf diese Weise eine wirkliche Bewusstseinsänderung in der Gesellschaft zu versäumen. Müller arbeitet auch die theoretischen Widersprüche einer “Emanzipation von oben” heraus, die einerseits den Sozialismus als einzigen Weg zur Gleichberechtigung der Frau postuliert, andererseits voraussetzt, dass nach Einführung des Sozialismus zwangsläufig alle Probleme der Frau bereits gelöst sein sollten und damit jegliche noch vorhandene Benachteiligung leugnet. Leider versäumt es Müller, in diesem interessanten Übersichtskapitel Reimanns Position zu bestimmten Facetten der Frauenfrage darzustellen. Dies ist umso bedauernswerter, als Müller zwei Autorinnen, Irmtraud Morgner und Christa Wolf, die sie sicher zu Recht für die “wichtigsten Autorinnen dieser Zeit” (80) hält, im Detail untersucht, deren Positionen aber nicht mit Reimanns Einstellungen vergleicht.

Ein kürzeres viertes Kapitel befasst sich mit “Weiblichkeitsmythos, Hysterie und Bild” und untersucht, beginnend mit soziologischen Zuschreibungen, Interpretationen und Erklärungen des weiblichen Körpers, verschiedene gesellschaftliche Frauenbilder, die auf dem Status der Frau als Objekt des männlichen Blicks beruhen, so beispielsweise den Mythos der Frau als Gegensatzpaar von Lilie und Rose. Das Versprechen, im fünften Kapitel Brigitte Reimanns Strategien aufzuzeigen, “aus dem Rahmen zu fallen” bzw. auf diese Zuschreibungen zu reagieren, beendet dieses rein theoretische Kapitel.

Das längste fünfte Kapitel des Buches gibt ausführliche und textnahe Interpretationen sowohl von Reimanns frühen Werken als auch besonders von Franziska Linkerhand. Müller zeigt eine Entwicklung im Werk von Reimann von Leitbildern mit moralischem Hintergrund oder Bildern als verlässliche Charakterisierungsmittel der Protagonistinnen hin zu ironisierenden Bildern, die oft mehr verhüllen als sie zeigen. Parodien, Trug- und Zerrbilder dominieren Reimanns letzten Roman. Die Protagonistin lehnt anders als in den früheren Texten alle “Weiblichkeitsbilder und Subjekt-Objekt-Strukturen” ab und versucht diese neu zu definieren (277). Jedoch sind diese Überwindungsversuche des männlichen Blicks in Franziska Linkerhand zum...

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