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  • Orff-Studien by Fritz Hennenberg
  • Vera Stegmann
Orff-Studien. Von Fritz Hennenberg. Leipzig: Engelsdorfer, 2011. 226 Seiten. €12,00.

Der Titel Orff-Studien benennt den Inhalt des Buches zutreffend: Der Musikwissenschaftler Fritz Hennenberg, unter dessen Veröffentlichungen diejenigen zur Leipziger Musikgeschichte und zu Brechts Verhältnis zur Musik herausragen, legt in diesem Band eine Sammlung von drei locker aneinandergefügten Aufsätzen zu Carl Orff vor. Die drei Studien, “Carl Orff und Bertolt Brecht—eine unvollendete Geschichte” (1999), “Carl Orff und die Leipziger Oper in den vierziger Jahren” (1994) und “Carl Orff und sein Schüler Paul Kurzbach” (2005) sind zu verschiedenen Zeiten entstanden und inhaltlich nicht direkt miteinander verbunden oder aufeinander aufbauend. Sie basieren auf intensiver Forschung am Orff-Zentrum München, das auch die Anregung zur Zusammenstellung der drei Studien gab. Somit versteht Hennenberg in seinem Vorwort seine Arbeiten “vor allem als eine Quellensammlung und Bausteine für eine Gesamtdarstellung” (9).

Für Literaturwissenschaftler ist die erste der drei Studien, die sich mit Orff und Brecht befasst, die aufschlussreichste. Der Leser wird informiert über langjährige Kontakte zwischen Brecht und Orff, die sich jedoch nie zu einer Zusammenarbeit an einem Bühnenstück entwickelten. Schon 1924 sah Orff an den Münchner Kammerspielen Brechts Bearbeitung von Marlowes Leben Eduards des Zweiten von England, die ihn beeindruckte. Um 1930 beschäftigte sich Orff mit Brechts Lehrstücken und stellte 1931 den Jasager im Münchner Künstlerhaus vor, mit Bildvorlagen seines Schülers Werner Egk. Hennenberg vergleicht Brechts Theorie des Lehrstücks mit der von Orff initiierten Schulmusikbewegung. Während Brecht eine “Literarisierung des Theaters” anstrebte, suchte Orff eine “Theatralisierung des Konzertsaals” (21). 1930/31 legte Orff zwei Werkbücher vor, die Vertonungen von Gedichten Werfels und Brechts enthalten. Hennenberg betrachtet beide Werkbücher als musikalische Lehrstücke (24). Orff gliederte seine Sammlung zu Brechts Gedichten in drei Teile, einen ersten unter dem Titel Von der Freundlichkeit der Welt, einen zweiten als Vom Frühjahr,Öltank und vom Fliegen und einen dritten, Das fünfte Rad, der Gedichte aus Brechts Lesebuch für Städtebewohner enthalten sollte, jedoch nie vollendet wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, um 1947, vermittelte Caspar Neher Kontakte zwischen Orff und Brecht. Beide Künstler arbeiteten zu der Zeit unabhängig voneinander an einer neuen Version des Antigone-Stoffes. Orffs Antigonae hatte 1949 in Salzburg Premiere und erfuhr ihre deutsche Erstaufführung 1950 in Dresden. Beide Aufführungen erfreuten sich großen Erfolges, doch geriet die Dresdener Aufführung später in die kulturpolitische Debatte um den Formalismus in der DDR, die sich gerade an Brecht/Dessaus Oper Das Verhör des Lukullus entzündete. Obwohl Orff in der DDR geschätzt wurde, kritisierten die Obrigkeiten seine Antigonae als formalistisch und apolitisch. Brecht hingegen hegte Hoffnungen, dass Orff die Musik zu seiner Antigone und zu seinem Kaukasischen Kreidekreis komponieren würde. Orff lehnte beide Angebote ab. In den siebziger Jahren, lange nach Brechts Tod, wandte sich Orff [End Page 161] dem Dichter wieder zu und veröffentlichte 1976 ein Heft mit Sprechstücken nach sieben Brecht-Gedichten. Hennenberg bietet auch eine kurze Gegenüberstellung der Ästhetik Brechts und Orffs, die sich mit Hilfe des reichen Faktenmaterials sicher ausbauen ließe.

Während das erste Kapitel die Nazizeit praktisch ausklammert, wohl da Brecht ins Exil ging, Orff in Deutschland blieb und es so kaum zu Kontakten zwischen beiden kam, behandelt die zweite Studie über Orffs Beziehungen zur Leipziger Oper hauptsächlich die frühen vierziger Jahre. Die Leipziger Oper, die noch in den dreißiger Jahren als Richard-Wagner-Bühne galt, öffnete sich in den vierziger Jahren mit Mary Wigman und Hanns Niedecken-Gebhard der modernen Musik und der Avantgarde. So gestaltete Mary Wigman, die Meisterin des Ausdruckstanzes, 1943 in Leipzig eine Inszenierung der Carmina Burana in tänzerischer Deutung als “szenische Kantate”(85). Die Uraufführung der Catulli Carmina, die Orff als Komplementärstück zu den Carmina Burana konzipierte, fand einige Monate später in Leipzig statt, ebenfalls unter Mitwirkung Mary Wigmans. Das Publikum, das auch international angereist war, reagierte begeistert; aber das NSDAP-Organ Völkischer Beobachter, das etwa die lateinische Sprache des Textes beanstandete, verhielt sich kritisch. Wegen der Zerst...

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