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  • Über Kant1
  • Gershom Scholem
    Translated by Julia Ng (bio)

(1918, über Kant)

Es gibt heute viele Menschen die sich Kantianer nennen, und die in Kantischer Terminologie—Kantische Sprache ist es selbstverständlich nicht—Erkenntnisse zu haben vorgeben oder wirklich haben. Daß diese Menschen, auch nur irgend einer von ihnen, diese Terminologie versteht ist ausgeschlossen. Worauf beruht aber, die Möglichkeit des Kantianismus? Er hat einen Funken echter Mystik in sich. Tradierbares ist nicht im Kantischen System, denn sonst müsste es zu verstehen sein was eidetisch nicht der Fall ist, vielmehr aber hat es eine Art von Tradierbarkeit schlechthin und eben auf ihr beruht der Neukantianismus. Der erste der ohne vom absoluten System auszugehen diese Begriffe näher ansehen würde würde sie auch keine Sekunde länger gebrauchen, aber die blosse Tradierbarkeit der Terminologie ist es die den Anschein des Lebens aufrecht erhält. Diese Mystik ist aber unfruchtbar, denn es ist nur ein Funken. Die Umfassung der Tradition in der die Mystik gefördert wird, entspricht hier positiv nichts. Irgendwie ist zweifellos das Kantische System eine ungeheuere Angelegenheit, aber die einzige Möglichkeit zu ihm zu gelangen ist sich explizit davon abzuwenden bis man es umfaßt und von dem neuen Gesichtspunkt aus die Tradierbarkeit legitimieren kann. Außer diesem [End Page 440] einen Funken ist der Neukantianismus der reine Kultus eines Mystizismus ohne Gegenstand, dessen Zeremoniell sich in Verbeugungen vor dem Transzendentalen (das heute nicht mehr legitim gebraucht werden darf) erschöpft, und dessen ganze Leistung es ist alle paar Jahre den Psychologismus zu widerlegen. Die Neukantianer treiben Magie, aber eine missbräuchliche weil äußerliche.

Der Wissenschaftsbegriff des Kantianismus ist ein Inzest. Er umschleicht die formale Logik durch den Missbrauch der Mathematik. Er ist auf Stringenz aus anstatt auf Freiheit. Er begründet das Erkennen letzten Grundes nicht in Denken. Ihr Systembegriff ist radikal anders zu begründen und überhaupt ganz anders zu fassen. Er ist eine große metaphysische Kapitulation vor dem Pragmatismus. „Nur das ist Erkenntnis was der Erkenntnis nützt." Dieser Satz um den keiner herumkommt enthält das radikal Unsinnige der Meinung. Kritisieren kann man nur gute Werke, das ist der Grund warum noch niemand die absolut negative Kritik der Cohenschen „Kants Theorie der Erfahrung" geschrieben hat. Dies [sic.] Buch beweist nur eins absolut: daß es unmöglich ist, heute Kant zu verstehen.

Äquivalenz aller Strecken, im Euklidischen System klar. Wie aber verhält es sich in der nichteuklidischen Geometrie, in der durch einen Punkt mehrere (∞) Parallelen zu einer Graden möglich sind? Da wäre doch allermindest die 1 deutig : umkehrbare Beziehung aufgehoben.


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Der Strahl durch P und A braucht ja nicht zu treffen. Wenn aber A dem unendlich fernen Punkt entspräche, wie verhält er sich dann mit dem ∞ fernen Punkt von BB'? Beantworten die Mengentheoretiker diese Frage? [End Page 441]

  1. 1. endliche Menge von Zahlen

  2. 2. Menge aller natürlichen Zahlen

  3. 3.   „     „   rationalen   „

  4. 4.   „     „   algebraischen „    { [ad 2), 3) + 4)] sind äquivalent

  5. 5.   „     aller reellen      „   nicht abzählbar

  6. 6. Menge der reellen Zahlen zwischen noch so wenig unterschiedenen reellen Zahlen (4 u. 6 zusammen !!) nicht abzählbar, äquivalent der Menge aller reellen Zahlen.

  7. 7. Menge aller eindeutigen Funktionen f(x), 0≤ x ≤1, nicht äquivalent der des Kontinuums.

    ∈ dagegen Menge aller stetigen 1 deutig F. u.s.w. äquivalent der Menge der reellen Zahlen. [End Page 442]

Julia Ng

Julia Ng is a PhD student in Comparative Literary Studies at Northwestern University and has conducted archival research in Paris, Vincennes, Berlin, and Jerusalem with the support of the Josephine de Kármán Foundation, the Berlin Program for Advanced German and European Studies, the Paris Program in Critical Theory, and the Graham Foundation for Advanced Studies in the Fine Arts. She writes on literary theory, political philosophy, and architecture theory, and most recently published on Walter Benjamin and material agency. She is currently completing a dissertation on "impossibility" as a condition for life, power, and agency that considers Benjamin's and Scholem's mathematically-inflected revision of Kant and the work of the science fiction novelist, Paul Scheerbart.

Footnotes

1. Grateful acknowledgement is given to Suhrkamp Verlag for...

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