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  • Toponym als U-topie bei Paul Celan. Auschwitz-Berlin-Ukraine by Yoshihiko Hirano
  • Bianca Rosenthal
Yoshihiko Hirano, Toponym als U-topie bei Paul Celan. Auschwitz-Berlin-Ukraine. Würzburg: Königshausen und Neumann, 2011. 123 S.

Der bekannteste deutschsprachige und deutschschreibende Autor aus Czernowitz ist sicherlich Paul Celan, dessen Lyrik inzwischen zum Kanon der bedeutendsten Literaturwerke der 50er und 60er Jahre gehört. Yoshihiko Hirano, Professor em. an der Universität Tokyo ist Autor von zahlreichen Publikationen über die deutschsprachige Literatur. Er evoziert in seinem Text zunächst das besondere Spannungsverhältnis zwischen Autor und Sprache, worauf Celan vielfach hingewiesen hat. Eingangs wird die “Intention auf die Sprache”, die Peter Szondi in der Shakespeare-Übersetzung Paul Celans herausgearbeitet hat, nun der anderen selbst gesetzten Intention auf die “Wirklichkeit” gegenübergestellt. Der Autor versucht sodann, einzelne Gedichte Celans (“Fadensonnen”; “Die fleißigen”; “À la pointe acérée”; “Ein Blatt”; “Heimkehr”; “Tübingen”; “Jänner”; “Im Zeitwinkelschwört”) eingehend zu interpretieren und die drei Topoi Auschwitz-Berlin-Ukraine als die Konvergenzpunkte von Sprache und Wirklichkeit zu beschreiben. Die “Intention” bei Celan ist also einerseits auf “die Sprache” gerichtet und andererseits auf “eine Wirklichkeit” (9). Toponym ist Ortsname aber mit dem Namen sind auch Konnotationen verbunden. Wenn aber der Ortsname keine semantische Leerstelle bietet, stellt das “Toponym” eine “U-topie” dar wie es im Meridian (10) heißt. Der Autor übernimmt sodann die oben aufgelisteten Gedichte nach dessen “Intention auf die Sprache” mit Berufung auf Celan zu interpretieren. Sich auf die Kritik Adornos beziehend, dass “nach Auschwitz [End Page 165] keine Lieder mehr zu singen seien”, betont Celan in “Die fleißigen” die abscheulichen Zustände in Auschwitz-Birkenau mit besonderem Nachdruck auf die räumlichen Einrichtungen und Komplexe und greift anders als in “Todesfuge” nicht mehr auf musikalische Formen zurück.

Im Mitt elpunkt dieses Bandes steht dann eine sehr eingehende Analyse, Kommentierung und Interpretation des Celanschen Gedichtes “Anhalter Bahnhof”, wo Celan in Berlin beim Umsteigen die “Reichskristallnacht” im November 1938 erlebt hat. In Celans Gesamtwerk kommt das Toponym Berlin nur einmal im Gedicht “Schaltjahrhundert” zum Vorschein, “das Menorahgedicht aus Berlin” (45). Weiter steht dann wieder eine sehr eingehende Analyse, Kommentierung und Interpretation des Celanschen Gedichtes “Du liegst”, das erst nach seiner Berliner Rede 1967 entstand. Dem Leser wird eine detaillierte Deutung des Gedichtes vorgeführt. Professor Hirano bezieht sich auf ein Bändchen aus der hinterlassenen Privatbibliothek Celans, nämlich Ein Ort für Zufälle von Ingeborg Bachmann, dessen Text viele Bezüge zu Berlin, wie Friedrichstraße, Wannsee, Tegel, usw. enthält.

Bachmann hielt sich 1963 mit einem Stipendium der Ford Foundation in Berlin auf, aber verbrachte viel Zeit in Kliniken oder Krankenhaus. “Krankheit” wird als “Beschädigung von Berlin” bei Celan aufgeführt. Celan plante auch einen längeren Aufenthalt in Berlin, änderte sein Vorhaben aus mehrfachen Gründen trotz der zahlreichen Angebote, die ihm gemacht wurden. Seine Berlin Reise fand erst im Dezember 1967 statt, und das Gedicht “Du liegst” entstand erst nach seiner Berlin-Reise. Obzwar der Name Berlin darin nicht erscheint verbinden die zahlreichen Interpreten Berlin als Ortsangabe indirekt damit (47). Von dem Ortsnamen “Schweden” wird dann das Toponym “Auschwitz” eingeleitet beruhend auf “Schw-”. In dem Vers “aus Schweden” bilden ja “Auschwitz” und “Eden” nun eine Symbiose behauptet der Autor (48). Nach seiner Rückkehr aus Berlin sprach Celan von unheimlichen Gefühlen, die von verschiedenen Interpreten als “Angstlandschaft Deutschland” gedeutet wurden (50).

Im Band Die Niemandsrose befindet sich ein Gedicht, das einen französischen Titel “À la pointe acérée” trägt. Die “Kristalle”, der “Kreidestern”, die wiederholten B-Laute rufen das Toponym “Bukowina” einschießlich “Buchenland”, “Buchecker” und “Buchenwald” hervor. Das sind Konvergenzpunkte, die zu Reisebildern führen, in den Worten Celans “Wiederbegegnungen” (56). Das Toponym “Berlin” schließt sich weiter an den Tatort der politischen Ermordungen von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im [End Page 166] Januar 1919 an, als Celan im Dezember 1967 zum zweiten Mal West Berlin besuchte. Danach schrieb er noch ein Berlin-Gedicht “Ein Blatt, baumlos, für Bertolt Brecht”, ein Gedicht, das keinen Titel trägt. Unter den Gedichten im Band Schneepart, finden sich einige, die in Deutschland geschrieben wurden und von Berlin geprägt...

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