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  • Heights of Reflection: Mountains in the German Imagination from the Middle Ages to the Twenty-First Century ed. by Sean Ireton and Caroline Schaumann
  • Franz R. Kempf
Heights of Reflection: Mountains in the German Imagination from the Middle Ages to the Twenty-First Century. Edited by Sean Ireton and Caroline Schaumann. Rochester, NY: Camden House, 2012. Pp. ix + 395. Cloth $75.00. ISBN 978-1571135025.

Neuerdings ist das Wandern nicht nur des Müllers, sondern auch des Germanisten Lust, und deshalb erklimmen wir in dieser Aufsatzsammlung analytische Höhen, die so vielfältig sind wie die Gipfel der Welt. Im Rucksack dabei sind so ziemlich alle deutschen „Gipfelstürmer“ von Rang, vom mittelalterlichen Daniel von dem blühenden Tal über Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer, Nietzsches Antichrist und Strauss’ Alpensinfonie bis hin zu Ransmayrs erst kürzlich erschienenem Fliegenden Berg.

Wie so oft bei Aufsatzsammlungen dieser Art sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Den Anfang macht die Erfahrung des Erhabenen: Der Maler Carl Gustav Carus fühlt sich, sinngemäß, als „nichts“; Fichte als „alles“; und Hegel dagegen ist „gelangweilt“ (88, 105, 111). Dieser rezeptionsästhetischen Vielfalt ist kaum beizukommen. Aber wenn das Erhabene, wie es hier geschieht, so unscharf oder gar falsch (vgl. „fear and awe“ [70]), charakterisiert wird, dann fragt man sich, ob eine bewusste Rückbesinnung auf die grundsätzliche Dreiheit von Furcht, Ehrfurcht und Staunen nicht zu schlüssigeren Befunden geführt hätte. Leicht bedenklich wirkt auch die wiederholte Betonung des gleichsam greifbar Geologischen, und zwar so, als ob man hier einer „materialistischen“ Literaturtheorie das Wort reden wollte. So behauptet etwa Heather Sullivan in ihrer „ecocritical“ Lektüre von Fausts Bergtouren, er „remains mired in the . . . rawness of his natural and material environment“ (119), was mit Goethes Vorliebe für die Kunst- statt der Naturwahrheit und mit dem vielleicht prägnantesten Bild des ganzen Faust, dem Regenbogen, schlecht vereinbar ist.

Von 17 Aufsätzen die lohnendsten auszusondern, hat zwangsläufig etwas Willkürliches. Trotzdem seien hervorgehoben: Anthony Ozturks weitausholender und nuancierter Beitrag „Interlude: Geo-Poetics: The Alpine Sublime in Art and Literature, 1779–1860“ (77–97); Scott Denhams „W.G. Sebald’s Magic Mountains“ (320–33), in dem dieser die „Intertextualität“ zwischen Thomas Mann und Sebald subtil herausarbeitet und nachweist, wie der Ironiker und der Melancholiker mit der Verzauberung durch den Berg fertig werden; Roger Cooks Versuch, in „Spatial Orientation and Embodied Transcendence in Werner Herzog’s Mountain Climbing Films,“ Querverbindungen zwischen montaner Wahrnehmungsgeographie und Kinematografie zu eruieren; lesenswert ist schließlich auch, trotz theoretischen Überhangs, Peter Arnds „From Eros to Thanatos: Hiking and Spelunking in Ludwig [End Page 417] Tieck’s Der Runenberg“ (176–92), insbesondere wegen der von ihm klug aufgezeigten spiegelbildlichen Wechselseitigkeit von „Berg“ und „Frau.“

Dieser Befund verweist auf einen roten Faden, den diese Sammlung dringend benötigt. Eine Möglichkeit wäre gewesen, die Bergerfahrung als eine Begegnung mit dem Fremden zu sehen. Der Berg wäre dann eine Erscheinungsform des „Anderen,“ der—man denke an den Orientalismus—die üblichen Reaktionen der Glorifizierung und Dämonisierung auslöst, und in dem sich das Ich durch vielfältige Spiegelungen selbst zu verwirklichen sucht. Das Herausschälen dieser praktisch alle Aufsätze durchdringenden Alteritätserfahrung erhellte ein zweites einheitsstiftendes Band: die Kulturkritik. Zwar bringen verschiedene Autoren kulturkritische Kategorien in Anschlag. Aber diese bleiben dem tradierten entweder / oder des Kultur-Natur Gegensatzes verhaftet, statt, wie die neuere Forschung gezeigt hat, von der dynamischen Dialektik eines sowohl als auch auszugehen.

Ein Denkanstoß der besonderen Art ist der hier unternommene Versuch, „Bergsteigen“ und „Schreiben“ als Analogie zu sehen. Sean Ireton ist dem auf der Spur, wenn er Stifters Erzähltempo im Nachsommer als „sluggish geological“ charakterisiert (196). Konkreter ist Oliver Lubrich. Ausgehend von Humboldts missglückter Chimborazo-Besteigung spricht er über die „tentative“ Essayform von Humboldts lange hinausgeschobenem, erst im zweiten Anlauf „gelingendem“ Erfahrungsbericht (162–63). Scharfsinnig bemerkt er: „Humboldt performs the word ‘cre/vasse.‘ He compensates for the frustration of his ascent by filling the abyss that caused it with numerous yields of his research“ (166).

Fazit? Zwar, um im Bild zu bleiben, keine Erstbesteigung, aber eine eindrucksvolle Hochgebirgstour, die mitunter den Blick auf noch nicht begangene Routen...

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