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Reviewed by:
  • Die Geschichte der SED: Eine Bestandsaufnahme ed. by Jens Gieseke and Hermann Wentker
  • Monika Kaiser
Die Geschichte der SED: Eine Bestandsaufnahme. Edited by Jens Gieseke and Hermann Wentker. Berlin: Metropol, 2011. Pp. 270. Paper €19.00. ISBN 978-3863310424.

Dieser Sammelband ist hervorgegangen aus einer gemeinsamen Vortragsreihe der Bundesstiftung Aufarbeitung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung. Ziel dieser Vortragsreihe wie des Buches war es, ein von der Bundesstiftung finanziertes Stipendienprogramm der Öffentlichkeit vorzustellen. Anders als man unter dem Buchtitel „Die Geschichte der SED“ (Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands) vielleicht erwarten könnte, handelt es sich also nicht um eine für die akademische Leserschaft geschriebene Gesamtdarstellung, sondern eher um eine auf die politische Bildungsarbeit abzielende Publikation. Neben einer Bestandsaufnahme zum Forschungsstand wollen die zehn Autoren gesichertes Wissen zu zentralen Fragen der SED-Geschichte präsentieren und „zumindest ansatzweise aufzeigen, aus welchen Perspektiven eine künftige SED-Geschichte geschrieben werden könnte“ (15). Im Mittelpunkt der Forschungsprojekte stehen das Verhältnis zwischen Parteiführung und Parteibasis und die gesellschaftliche Dimension der Parteigeschichte, wobei vor allem der Zeitraum zwischen Mauerbau und Mauerfall (1961–1989) genauer untersucht werden soll. Anders als im Klappentext ausgewiesen sind nicht alle Autoren wirklich „führende Expertinnen und Experten“ der SED-Geschichte, was angesichts des Projektcharakters durchaus verständlich ist.

Ralf Jessen und Jens Gieseke beleuchten einleitend den Forschungsstand vorrangig unter soziologischen Aspekten und kommen zu dem Schluss, dass die „systematische Erforschung der SED als sozialer Faktor noch immer in den Anfängen“ stecke (59). Mike Schmeitzner, der am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismus-Forschung der Technischen Universität Dresden tätig ist, plädiert dafür, den gesellschaftlichen Umbruch in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) ab 1945 besser als „Diktaturdurchsetzung“ zu bezeichnen. Diesen Terminus hält er für nützlicher und zielführender als die bisher gängigen Begriffe „Sowjetisierung“ oder „Stalinisierung,“ weil er seines Erachtens „die vom Vorbild UdSSR übernommenen fremdinduzierten Elemente stärker von den autochthonen deutschen Aspekten zu trennen vermag“ (64) und zudem bei der Analyse verschiedener Durchsetzungsphasen einer jeden Diktatur anwendbar ist. Als Beleg für seine These werden jedoch vielfach nur frühere eigenen Veröffentlichungen angeführt.

Im Unterschied zu Mike Schmeitzner, dessen nur auf die ersten Nachkriegsjahre fixierter Aufsatz tendenziell auf eine Verniedlichung der sowjetischen Besatzungspolitik hinausläuft, bemängelt Jens Gieseke das bisherige Fehlen einer Gesamtbetrachtung zum Verhältnis zwischen der Sowjetunion und der DDR. Ohne den Anspruch, diese Lücke mit seinem Beitrag schließen zu wollen, präsentiert Gieseke anhand der [End Page 224] bisherigen Forschungsliteratur eine Bestandsaufnahme auf zwei Ebenen: erstens zu bisherigen politikgeschichtlichen Zugriffen auf die asymmetrische Beziehung zwischen SED und Sowjetunion und zweitens zu der Frage, mit welchen Bildern von der Sowjetunion sich die SED in der eigenen Gesellschaft auseinandersetzen musste und wie diese ihre eigene Position und Legitimation beeinflussten (84).

Helge Heidemeyer skizziert den Wissensstand zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS), das sich als „Schild und Schwert der Partei“ allein der SED verpflichtet sah. Thematisiert werden dabei jedoch ausschließlich die Struktur des MfS, die Parteiorganisation des MfS sowie die aus den Akten nur schwer nachzuvollziehenden informellen Beziehungen, zu denen er leider keine neuen erhellenden Fakten vorzubringen vermag. Andreas Malycha geht der Frage nach, ob die SED reformfähig war, und verneint sie letztendlich. Er unterscheidet drei Arten von innerparteilichen Reformansätzen: erstens die im engeren Führungszirkel der SED zwischen 1953 und 1956 ausgetragenen Auseinandersetzungen um die innerparteiliche Lage und den autokratischen Führungsstil des Ersten Sekretärs Walter Ulbricht, die Korrekturen an der Arbeitsweise des Politbüros und Modifizierungen der SED-Politik zum Ziel hatten; zweitens die von Ulbricht initiierten Reformversuche der 1960er Jahre, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit der DDR im Systemvergleich mit der Bundesrepublik Deutschland hergestellt werden sollte. Sie betrafen hauptsächlich die Wirtschaft und die Wissenschaft, erfassten aber auch die Struktur der Partei selbst und waren—so müsste man hinzufügen—zeitweise von Liberalisierungstendenzen in der Jugend- und Kulturpolitik begleitet. Malycha geht insbesondere auf die dritte Art von Reformansätzen ein: auf die von reformkommunistischen Intellektuellen wie Wolfgang Harich, Fritz Behrens, Robert Havemann, Rudolf Bahro und Hermann von Berg in den 1950er bis 1980er Jahren diskutierten Alternativen...

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