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Reviewed by:
  • Exotic Spaces in German Modernism
  • Behrang Samsami
Exotic Spaces in German Modernism. By Jennifer Anna Gosetti-Ferencei. New York: Oxford University Press, 2011. Pp. 282. Cloth $110.00. ISBN 978-0199604128.

Die Jahre nach der Reichsgründung 1871 gingen in Deutschland mit ungeheuren Umwälzungen einher. Das Kaiserreich wurde mit der rasanten Industrialisierung zu einer bedeutenden Wirtschaftsmacht, die als “verspätete Nation” ebenfalls einen [End Page 662] “Platz an der Sonne” forderte. Der Aufstieg zum politischen Schwergewicht fiel dabei mit der Modernisierung aller Lebensbereiche zusammen: Individualisierung und Säkularisierung, Dynamisierung und Kommerzialisierung zeichneten die Gesellschaft zunehmend aus. Die vielfältigen Umbrüche stellten eine große Herausforderung für die Individuen dar, die lernen mussten, diese anzunehmen und zu bewältigen. Die Epoche der Klassischen Moderne weist eine Vielzahl an Strategien auf, die Ambivalenz, Komplexität und Diskontinuität in diesem Prozess klar zu machen und sich mit ihnen auseinander zu setzen. Kommunismus und Lebensreform, Sport und Reisen, Spiritismus und Zwölftonmusik sind dafür nur einige Beispiele.

Exotismus ist eine weitere und dabei nicht unbedeutende Strategie. Auch wenn das Kaiserreich selbst nur wenige Jahrzehnte über Kolonien verfügte, offenbart gerade die Beschäftigung deutschsprachiger Schriftsteller mit dem Anderen viel über ihre Fremd- und Selbstwahrnehmung. Wie vielfältig die Auseinandersetzung damit ausgefallen ist, zeigt die Studie Exotic Spaces in German Modernism von Jennifer Anna Gosetti-Ferencei. Das Buch der US-amerikanischen Professorin für Philosophie deckt einen langen Zeitraum, von 1892 bis 1927, ab und berücksichtigt sowohl berühmte als auch heute weniger bekannte Autoren—und das von der Wiener Moderne bis zur Neuen Sachlichkeit. Untersucht werden Werke von Hugo von Hofmannsthal, Max Dauthendey, Hermann Hesse, Thomas Mann, Stefan Zweig, Franz Kafka, Gottfried Benn, Robert Musil, Alfred Kubin und Bertolt Brecht. Wichtig dabei hervorzuheben ist, dass die theoretische Grundlage für die Analysen die Schriften von Georg Simmel, Max Weber, Friedrich Nietzsche, Arthur Schopenhauer, Wilhelm Worringer und Sigmund Freud bilden, die sich mit Moderne bzw. Modernität beschäftigen.

Gosetti-Ferencei untersucht in fünf Kapiteln, wie die Schriftsteller mit Fremderfahrungen umgehen, welche Mittel sie wählen, das Andere darzustellen, und welche Schlüsse daraus geschlossen werden können. Die These der Verfasserin ist so spannend wie anregend: “This study demonstrates that exotic spaces in some essential modernist texts are not principally sites of domination, but rather of contest and recoding of the relationship between the familiar and the exotic, the self and the foreign other. Exotic spaces may serve not only to affirm the subject in a symbolic conquering of territory, or project the fantasy of escapism to a lost paradise, but condition the moral, aesthetic, or imaginative transformation of the subject, promoting new possibilities of perceiving or being, and yet not without risking disaster or dissolution of the self and compromising the boundaries of a familiar world” (1). Der Einfluss Edward Saids auf Gosetti-Ferenceis Studie ist evident. Die Analyse moderner deutscher Literatur in seiner Studie Orientalism nutzt sie als Grundlage, um die Funktion des Exotischen in den Texten der ausgewählten Autoren zu bestimmen: Es dient in allen Fällen als Folie, auf der das Selbst mit Hilfe von Literatur ausgelotet wird—und das in einer Epoche, in der, wie Georg Lukács diagnostizierte, die Individuen unter transzendentaler Obdachlosigkeit litten bzw. in der die bisher [End Page 663] geltenden Werte brüchig und infrage gestellt wurden. Wie andere Strömungen, so ist auch der Exotismus zugleich Ausdruck, Bedürfnisse zu artikulieren, und Versuch, Konfliktsituationen durchzuspielen und im besten Fall zu lösen. Gosetti-Ferencei sieht dafür “five possibilites of transformation in the exposure to exotic spaces”: Erstens: “re-enchantment through epiphany” (1), wie im Fall von Hofmannsthal, Dauthendey und Hesse. Zweitens: “the collapse of self when confronted with an exotic space conceived as erotically and pathologically infectious” (2), wie bei Mann und Zweig. Drittens: “liberation of the imagination from the confines of the familiar and the actual” (2), wie bei Kafka. Viertens: “aesthetic transformation, whether or not that involves collapse of the subject’s integrity or being” (2) wie bei Musil, Benn und Kubin. Und fünftens: “revelation of the ‘primitive’ nature of modern experience” (2), wie im Fall von Brecht.

Die St...

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