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  • Editorial
  • Christopher Balme

Mit dem vorliegenden Heft feiert Forum Modernes Theater sein 25-jähriges Jubiläum. Im heutigen krisengeschüttelten und von neuen technologischen Entwicklungen verunsicherten Verlags- und Publikationswesen ist dieser Geburtstag keine Selbstverständlichkeit. Dank der Initiative und des unermüdlichen Einsatzes des Begründers Günter Ahrends (Bochum) in Zusammenarbeit mit dem ersten Herausgebergremium konnte sich die Zeitschrift als viel beachtetes peer-reviewed journal zu einer Zeit etablieren, als der Begriff des peer-review in geisteswissenschaftlichen Kreisen im doppelten Wortsinn ein Fremdwort war. Dank der konsequenten Anwen-dung des peer-review-Verfahrens konnten strenge Maßstäbe gesetzt werden, so dass Forum Modernes Theater durch die European Science Foundation ein begehrtes A-Rating bekommen hat. Es gilt nun dieses Kapital nicht nur zu konsolidieren, sondern auch auszubauen, da inzwischen eine gesonderte Ausweisung von Publikationen im peer-review-Verfahren von allen maßgeblichen wissenschaftlichen Förder-Organisationen (DFG, ERC usw.) verlangt wird.

Auch wenn die vorliegenden Beiträge nicht eigens für das Heft – gleichsam zur Feier des Jahres – ausgewählt wurden, so markieren sie in ihrer Gesamtwirkung doch recht deutlich die Distanz, die die Zeitschrift und mit ihr das Fach Theaterwissenschaft im letzten Vierteljahrhundert zurückgelegt hat. Betrachten wir die ersten Hefte, die 1986 erschienen, so fällt ins Auge, dass das Theater des Titels seinerzeit als selbstverständliche Vermittlungsinstanz von dramatischer Literatur unterschiedlichster Provenienz verstanden wurde. Darin unterschied sich die Zeitschrift nicht wesentlich von dem Theater selbst, egal ob in deutschsprachigen oder in anderen westeuropäischen bzw. nordamerikanischen Erscheinungsformen.

Die hier gesammelten Aufsätze machen deutlich, dass am Anfang des zweiten Jahrzehntes des 21. Jahrhunderts diese Gewissheit über Wesen und Funktion des Theaters nun rapide abnimmt. Je vielfältiger die Erscheinungsformen des Theaters werden, umso unklarer werden die Konturen seiner Ausprägungen. Es ist daher nicht rein zufällig, dass sich zwei Artikel mit der Zukunft des Theaters beschäftigen. In ihrem Beitrag mit dem Titel “Sehnsucht nach Zukunft” geht Christel Weiler der Frage nach, “wie sich in verschiedenen Bereichen des theatralen Feldes gegenwärtig Jugend und Theater zueinander und beide gemeinsam zum Thema Zukunft verhalten.” Die von Weiler untersuchten Beispiele reichen von einem Projekt mit Jugend-lichen mit Migrationshintergrund am Berliner HAU bis zu dem viel beachten Dokumentarfilm und Tanzprojekt Rhythm is it, das in Zusammenarbeit mit der Berliner Philharmonie entstand. Sowohl der Film als auch das ihm zugrunde liegende Tanzprojekt verfolgen ein explizit pädagogisches Programm – der Untertitel des Film lautet “You can change your life in a dance class” –, so dass es im weitesten Sinne zur Kategorie der Theater-vermittlung gehört, diesem ‘Wundermittel’ für alle schwelenden ‘Beziehungsprobleme’ zwischen Kunst und Öffentlichkeit, wie Myrna-Alice Prinz-Kiesbüye und Yvonne Schmidt es in ihrem Beitrag “Theater für alle, aber nicht von allen? Spannungsfelder und [End Page 3] Perspektiven der Theatervermittlung” tref-fend-ironisch formulieren. Das Thema der Kultur- bzw. Theatervermittlung ist insofern stark zukunftsgerichtet, als die Kulturpolitik und damit der Hauptsponsor des Theater-wesens im deutschsprachigen Raum ‘Vermitt-lung’ als Lösung für die meisten anstehenden Legitimationsprobleme für kulturelle Institutionen entdeckt hat und unermüdlich propagiert. Vermittlung soll dafür sorgen, ein “Publikum der Zukunft” zu gewinnen. Die Autorinnen deuten darauf hin, dass die Propagierung der Vermittlung in ihren inzwischen recht komplex gewordenen Ebenen eine Krise der Kunstinstitutionen bloß legen. Die neue Diskussion über Vermittlung legt nahe, dass die Institutionen selbst – die eigentlichen Vermittlungsinstanzen von Kunst – nun der Vermittlung bedürfen: wir befinden uns gleichsam auf einer Ebene der Vermittlung der Vermittlung.

In beiden Aufsätzen ist die Frage der kulturellen Differenz zentral, die im Überblicksartikel zum interkulturellen Theater von Patrice Pavis im Mittelpunkt steht. Es ist besonders erfreulich, dass Pavis, der Anfang der 1990er Jahre zu den wichtigsten Theoretikern des interkulturellen Theaters gehörte, die gegenwärtige Lage erneut betrachtet. Sein Resümee knüpft insofern an die bereits genannten Artikel an, als Interkulturalität weniger als theaterästhetisches Beschreibungs-problem, sondern als politisches Handlungsdesiderat betrachtet wird: “The question is: can intercultural theatre transform itself into a theatre of urban cultures in the suburbs of our larger French and European cities?” Hier sind wir wieder bei dem “Publikum der Zukunft” angelangt.

Die weiteren Artikel repräsentieren die zunehmende...

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