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Reviewed by:
  • Kokoschka. An Untimely Modernist by Rüdiger Görner
  • Martin A. Hainz
Rüdiger Görner, Kokoschka. An Untimely Modernist. Überetzung von Debra S. Marmor u. Herbert A. Danner. London: Haus, 2020. 352 S.

Oskar Kokoschka, der österreichische Maler, der die Wiener Moderne mitbegründete, also die Moderne in einem Wien, das gewissermaßen so unmodern war, dass Kokoschka gegen den Widerspruch der anderen Lehrer von Carl Otto Czeschka in dessen Klasse in der Kunstgewerbeschule aufgenommen wurde—die Möglichkeit, Maler zu werden, von Wien also nur durch jene glückliche Fügung nicht vereitelt wurde—kann heute als "Jahrhundertkünstler" gelten. Ihm widmete sich 2018 Rüdiger Görner unter Verwendung eben jenen Epithetons: Oskar Kokoschka. Jahrhundertkünstler erschien in Wien bei Zsolnay. Da keine Moderne aber ortstreu ist, Kokoschka wirkte bald auch u.a. in Berlin und Dresden, liegt nun folgerichtig und erfreulicherweise diese wunderbare Einführung auch in englischer Sprache vor. Als untimely modernist ist er hier im Titel auch etwas aus der Zeit gelöst.

Wunderbar entspinnt Görner hier das Fesselnde dieses Künstlers an den Widersprüchen, etwa, dass es scheint, als brächten die Farben die Formen hervor, die wiederum die Farben herausforderten—zum Gewinn des Betrachters. "His colours generate shapes and these shapes challenge colours" (xi), wie es in der Übersetzung heißt. Zunächst aber wird von den Fundierungen oder den Umständen, die Kokoschkas Werk jedenfalls nicht zu verhindern mochten, den "early hostilities he had to endure in Vienna" (276), ausgegangen. Wichtiger erscheinen indes bald die Gründe, die aus dem Maler selbst kommen, wobei Görner auch dem Formulierer Kokoschka und dessen Selbstauskünften viel Raum gewährt. So schreibt jener von seinen Lieblingsfarben, in einem fast synästhetischen Zugang, der den Honiggeruch derselben und auch die Lust, den Pinsel beim Malen abzulecken, in seinen Aufzeichnungen erwähnt—doch sind es immer Farben, im Plural, "colours, [End Page 147] but not the single one that dominated the work, like the pink of Giambattista Tiepolo" (2).

Diese Dialektik prägt in der Folge die Monographie: Selbstauskunft versus Kontextualisierung, aber auch das eine Moment des Werks jeweils im Zusammenspiel mit einem oder mehreren anderen. Expressiv ist das Werk, offenbar, indem es manchem absieht—und doch ist "his criticism of abstraction" (5) nicht zu übersehen, wobei Görner hier sogleich auf Günter Grass verweist, assoziativ-verweismächtig sind die Texte dieses Verfassers ja stets.

Gezeichnet wird in der Folge also ein Universalkünstler, aus der Kunst heraus Humanist, Vertreter einer "all-embracing art form" (8), der aus jenem Pöchlarn des Nibelungenlieds kommend die Welt neu vermessen soll. Nietzsche wird hierbei zum Modell dessen, der gleichfalls wusste, woher er stamme—um diese Herkunft und sich zu verzehren: "I know whence I originate!/Like a flame insatiate/I anneal me and consume./Light grows all that I conceive,/Embers everything I leave:/Certainty is I am flame". Dies sei auch Kokoschkas Modell; "it has been proven that Kokoschka constructed a more than characteristic legend in order to be able to provide a point of origin for his later favourite colour, red" (15), wie Görner im Anschluss bemerkt, das "blood-red" (34) allerdings auch. So wunderbar und klug das alles hergeleitet ist, man darf an Stellen wie dieser also stutzen, und zwar mehrfach. Das Rote sei in diesem und jenem Bezug erwiesen? Auch erscheint die Wortwahl fragwürdig: Ob Heinz Spielmann (309) bewiesen oder nicht eher plausibilisiert hat, dass es diesen Nietzsche-Bezug genau so gibt, wäre zu diskutieren. Steht das alles nicht schließlich im Widerspruch zur Passage, wonach Kokoschka eben nicht eine Farbe über die anderen gestellt habe?

Spannend sind die Ausführungen aber dennoch sämtlich, so jene zu den fünf Jahren Altersunterschied zwischen Kokoschka und Zweig und deren Auswirkung auf ihre Wahrnehmung der Sicherheit einer alten Zeit, die es für den Jüngeren so denn auch nicht gab. Über weite Strecken ist Görner der verlässlich Überblick gewährende, Schicksale und Werke verknüpfende Autor, den eine Monographie wie diese verlangt, auch in der Beschreibung von Grodek, über das Georg Trakl nie hinweg kam, während "Kokoschka had proven himself as a...

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