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  • Beleidigungswörter. Die Semantik und Pragmatik pejorativer Personenbezeichnungen by Björn Technau
  • Ulla Fix
Beleidigungswörter. Die Semantik und Pragmatik pejorativer Personenbezeichnungen.
Von Björn Technau. Berlin/Boston: De Gruyter, 2018. 374 Seiten + 23 s/w Abbildungen. €99,95 / $114.99 gebunden oder eBook.

Beleidigungswörter (Schimpf-, Scheltwörter) sind lexikalische Einheiten, die das von ihnen Benannte pejorativ bewerten. Sie gehören zur Gruppe der Tabuwörter, d.h. man kennt sie, weiß aber, dass man ihren Gebrauch aus sozialen Gründen vermeiden sollte. Ein wichtiger Teil der Beleidigungswörter sind auf Gruppen gerichtete pejorative Personenbezeichnungen. Sie gehören zum Grundbestand unseres Wortschatzes und sind den Sprachteilnehmer*innen vor allem aus dem mündlichen, aber auch aus dem schriftlichen Sprachgebrauch mehr oder weniger geläufig. Man hört sie in Alltags-gesprächen, trifft auf sie in populären Magazinen und Büchern, begegnet ihnen gegenwärtig vor allem in den sozialen Medien und weiß über ihre tabuisierende Verwendung einigermaßen Bescheid. Oder – so könnte man sich angesichts des zunehmenden Gebrauchs heute fragen – ist letzteres nicht der Fall? Gilt die Tabuisierung nicht mehr? Ist die Verwendung solcher Ausdrücke mittlerweile ‘einfach’ und hat sich durch den häufigen Gebrauch das Pejorative verloren? Haben soziale Entwicklungen die Gebrauchsbedingungen geändert? Kann das Bemühen um politische Korrektheit/political correctness etwas am Gebrauch pejorativer Personenbezeichnungen ändern? Das sind Fragen, die man sich vor der Lektüre des Buches stellen könnte und die man nach der Lektüre beantworten kann, weil man Genaueres über die Semantik und Pragmatik von Pejorativa und über deren Bedeutungswandel weiß. Der Autor liefert mit seiner differenzierten theoretisch-analytischen, experimentell gestützten Betrachtung der Semantik und Pragmatik pejorativer Personenbezeichnungen die Grundlage für das Verständnis des Phänomens und damit auch die Voraussetzung, sich mit den eben genannten Fragen fundiert auseinanderzusetzen.

Die linguistische Beschäftigung mit diskriminierender Sprache – also auch mit Beleidigungswörtern – hat zugenommen, seit Hass-Sprache/hate speech, in deren Kontext Beleidigungswörter gehören, Gegenstand öffentlicher moralisch-ethischer Erörterung und juristischer Auseinandersetzung geworden ist. Nach meinem Überblick sind es innerhalb der Linguistik bisher aber vor allem pragmatische Untersuchungen, [End Page 722] die sich dem Phänomen sprachlicher Ausgrenzung und verbaler Herabwürdigung widmen. Mit dem vorliegenden Buch geht der Autor einen entscheidenden Schritt weiter. Ehe er sich der Pragmatik von Beleidigungswörtern zuwendet, befasst er sich eingehend mit deren Bedeutungsverhältnissen und ermöglicht damit das Verständnis des Zusammenhangs zwischen der semantischen Spezifik dieser Wörter und den pragmatisch bestimmten Bedingungen und Folgen ihres Gebrauchs. Zugleich klärt er grundsätzliche, in der Semantiktheorie noch offene Fragen wie die nach dem Verhältnis von Emotionalität und Wertung eines Wortes an sich.

In der Einleitung stellt der Autor verschiedene Arten pejorativer Sprache vor, erörtert die für seine Arbeit entscheidende Semantik/Pragmatik-Schnittstelle und erläutert seine Methoden. Bei der Kategorisierung der Beleidigungswörter (B.) unterscheidet er zunächst nach der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu bestimmten Personengruppen (PG). ,,Beleidigungswörter können auf eine bestimmte PG referieren oder nicht.“ (5) Und er unterscheidet sie danach, ob sie ein nicht-pejoratives Gegenstück (NPC = non-pejorative-correlate) haben oder nicht. So lassen sich folgende Gruppen bilden:

  • • B. ohne Referenz auf eine bestimmte Personengruppe (–PG)

  • • B. mit Referenz auf eine bestimmte Personengruppe (+PG)

  • • B. ohne nicht-pejoratives Gegenstück (–NPC)

  • • B. mit nicht-pejorativem Gegenstück (+NPC)

Mit dieser Kategorisierung gewinnt er die Möglichkeit, die differenzierten Bedeutungsverhältnisse von Beleidigungswörtern genau zu erfassen. Er zeigt, dass pejorative Bedeutungen sich entwickeln und verändern (8). Die Bezeichnung Jude z. B. wird von ihm bereits in die Kategorie der Beleidigungswörter+PG–NPC aufgenommen, die ,,neutrale und pejorative Lesart nebeneinander aufweisen“ (8). Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Gruppe von Beleidigungswörtern, die sich pejorativ auf eine bestimmte Personengruppe beziehen, welche selbst keine pejorative Komponente hat. Es geht also um die Beleidigungswörter vom Typ+PG+NPC (kurz: BPG, 8).

Im zweiten Kapitel, ,,Semantik der Pejorativa“, setzt sich der Verfasser mit Bedeutungstheorien für Beleidigungswörter auseinander und entwickelt sein eigenes Modell, das er ,,Multikomponentenmodell“ nennt. Daran schließen sich die Darstellung der Quellen des Beleidigungsgrades...

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