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Reviewed by:
  • Robert Walser: A Companion ed. by Samuel Frederick and Valerie Heffernan
  • Mareike Schildmann
Robert Walser: A Companion. Edited by Samuel Frederick and Valerie Heffernan. Evanston, IL: Northwestern University Press, 2018. ix + 298 pages. $99.95 hardcover, $39.95 paperback or e-book.

Der schlichte Untertitel des von Samuel Frederick und Valerie Heffernan herausgegebenen Sammelbands ist ebenso programmatisch wie doppeldeutig: Als ,,Companion", zu Deutsch ,,Gefährte, Begleiter, Weggenosse", wird den Leser*innen nicht nur Robert Walser vorgestellt, sondern auch das vorliegende Buch. Damit wird ein Motiv aufgegriffen, das untrennbar mit Autor und Werk verbunden ist. Der notorische [End Page 558] Wanderer, Spaziergänger und Flaneur Walser, der Zeit seines Lebens Wohnorte noch häufiger wechselte als seine Arbeitsstellen, erscheint als Instanz, mit der man sich vorübergehend in Konversation und auf gemeinsame Wegstrecken begibt, mit der man ein Verhältnis des Gelegentlichen eingeht, das temporäre Nähe ohne Verpflichtung und Verbindlichkeit schafft, Bekenntnisse und substantielle Vertrautheiten hingegen als out of place erscheinen lässt.

Dass Walser selbst sich in diesem Bild des nahen, aber unnahbaren literarischen ,,Gefährten" durchaus wiedererkannt hätte, lässt ein Gedicht vermuten, das unter eben diesem Titel im April 1928 in der Prager Presse veröffentlicht wurde. Es entwirft eine Kaffeehausszene, in der das Künstler-Ich von einem fremden, unbekannten Besucher erkannt und beobachtet wird. Der unfreiwilligen Intimität, dem Künstler so schmeichelhaft wie lästig, widersetzt sich dieser im Zeichen einer postulierten Gefährtenschaft, die sich zwar erleben, aber nicht verstehen lässt: ,,Irgendwie, ob du bist, was ich womöglich / nicht bin, bin ich auf Wiesen, Wegen und / in Häusern, unter Bäumen dein Gefährte / den sich dein Denkvermögen nicht erklärte."

Dass es nichtsdestoweniger der ausgewiesene Anspruch ist, den Autor Walser und sein Werk verständlich zu machen und damit, laut Klappentext, ,,the first comprehensive guide to Walser's work in English" zu bieten, lässt den Sammelband von Frederick und Heffernan zum gelungenen companion für die Leserschaft des Schweizer Dichters werden. Es ist der Adressierung eines vor allem angloamerikanischen Marktes geschuldet, dass die Notwendigkeit dieses Anliegens in der Einleitung begründet, der Autor also zunächst in sein literaturhistorisches Recht gesetzt werden muss. Dies erfolgt mit einem bekannten Kniff: Dem nicht mehr ganz frischen Topos des vernachlässigten, unbeachteten, unterschätzten Dichters wird jene Aufmerksamkeit und Zuneigung entgegengestellt, die Walser im 20. Jahrhundert durch bedeutende Künstler*innen, Philosoph*innen und Schriftsteller*innen erfahren hat – von Musil und Benjamin über Coetzee, Sebald, Sontag und Agamben bis zu zeitgenössischen Künstler*innen wie den Quays-Brüdern und Joan Nelson. Diese indirekte Aufwertungsstrategie durch die Autorität der Rezeption scheint jedoch auch deshalb unnötig, da – wie die Einleitung ebenfalls herausstreicht – sich der Autor dank zahlreicher und gelungener übersetzungen in den letzten Jahrzehnten auch in der englischsprachigen Welt längst einer größeren Popularität erfreut und sich seit den 2000er Jahren in der angloamerikanischen academia erfolgreich etabliert hat. (Eine Randnotiz verdient hierbei die bemerkenswerte Tatsache, dass die erste Dissertation zu Walser überhaupt in den 1960er Jahren von einem amerikanischen Germanisten, George Avery, geschrieben wurde.)

Vor dem Hintergrund dieser fortgeschrittenen Kanonisierung wird mit dem vorliegenden Buch eine Einführung in Walsers Werk geboten, deren Stärke darin besteht, die Vorteile eines Sammelbands und Handbuchs in sich zu vereinen: Exemplarische Lektüren, die auch damit weniger vertraute Leser*innen mit Werk und Leben des Autors bekannt machen, werden mit aktuellen Forschungsfragen und neuen thematischen Perspektiven enggeführt, wobei der umfangreiche Fußnotenapparat die ,Klassiker' der Walser-Forschung ebenso wie jüngere Studien und Forschungsansätze der letzten Jahre dokumentiert.

Der Aufbau verschränkt geschickt werkchronologische, gattungspoetische und biographische Perspektiven. Als Effekt dieser Sortierung werden jene Teile des Œuvres stärker sichtbar, die insbesondere im Vergleich zu den Romanen und der [End Page 559] Kurzprosa (die erstaunlicher Weise keinen eigenen gattungspoetischen Eintrag erhält) in der Forschung tendenziell unterrepräsentiert sind: Die Walser-Biographin Susan Bernofsky und Frederick werfen einen Blick auf das lyrische Schaffen, Heffernan widmet sich den dramatischen Texten. Beiden Gattungen ist nicht nur gemein, dass sie den zaghaften Beginn der Walser'schen Schriftstellerexistenz einläuteten, um dann erst wieder in den sp...

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