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  • Mimen-Ekphrasis. Schauspielkunst in der Literatur um 1800 und um 1900 Von Rüdiger Singer
  • Nina Kurus
Mimen-Ekphrasis. Schauspielkunst in der Literatur um 1800 und um 1900. Von Rüdiger Singer. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2019. 718 Seiten + 38 s/w Abbildungen. €90,00 gebunden, €74,99 eBook.

,,Er ists, der Bildner redender Gestalten, / Sein Feuerblick, sein Gang, der Arme Kraft, / Die Denkerstirn, die tiefe Leidenschaft, / Die mächtig ringt das Höchste festzuhalten" (49): Schlegels Sonett ,,Der neue Pygmalion. An Iffland", und darin besonders die hier zitierte zweite Strophe, ist eines der ersten angeführten Beispiele für eine Schauspielkunstbeschreibung, oder anders bezeichnet: für die von Singer ,,Mimen-Ekphrasis" genannte Gattung. Diese wird durch eine Sammlung von verschiedenen Textbeispielen um 1800 und 1900 dargestellt, wobei Entwicklungen, Kontinuitäten und Verbindungen gezeigt werden. Der Begriff des Mimen in der Gattungsbezeichnung ist laut Singer gewählt, da die von ihm untersuchte Gattung sich um die ,,,lebhafte' Nachahmung von Menschen, nicht unbedingt von Rollen" bemüht (53, Hv. im Orig.) – was sich unter anderem bereits an der Widmung von Schlegels Sonett an den Schauspieler Iffland zeigen lässt, dessen Schauspielkunst mit dem Text gefeiert werden soll (im Gegensatz zur mythischen Kunst von Pygmalion) (50).

Singer sieht Schauspielkunstbeschreibungen ,,in der Tradition von Ekphrasis im Sinne enargeischer Kunstbeschreibung" (51) und beschäftigt sich eingehend mit ekphrastischer Theorie und dem Begriff der Enargeia (in englischer übersetzung oft als ,,vividness" zu finden) zu Beginn des Buches. In der Einführung und dem ersten Kapitel bildet er die theoretische Grundlage für den Rest der Arbeit und situiert sein Forschungsthema nicht nur in einer rhetorischen Tradition, die bis in die Antike zurückreicht, sondern auch in modernen Diskursen zu Intermedialität. Singer orientiert sich dabei an Irina O. Rajewskis Modell von Intermedialität sowie an ihrer Sicht auf Ekphrasis, welche sie im Sinne Claus Clüvers ,,als verbal verfasste Texte, deren Besonderheit gerade in ihrem Bezug auf nonverbal verfasste ,Texte' besteht" (31), definiert. Singer will mit dieser Definition einem Verschwimmen der Grenzen zwischen Ekphrasis und Intermedialität vorbeugen. Dies ist ein sinnvoller Ansatz, da neuere Studien zu Ekphrasis die Grenzen immer mehr ausweiten und sich nicht mehr nur mit Texten, sondern auch zum Beispiel mit Film und Musik beschäftigen. Trotz der bestehenden Vielfalt an Ekphrasis-Studien ist das Theater jedoch ein bisher eher wenig behandelter Bereich, weshalb Singers Arbeit besonders interessant ist.

In den folgenden Analysekapiteln beschäftigt Singer sich eingehend, teilweise im Close Reading, mit diversen Beispielen für Mimen-Ekphrasis. Kapitel II legt den Schwerpunkt auf die englischen Mimen Richard Burbage und David Garrick. Es zeigt außerdem die Relevanz von Allegorien, Anekdoten und die Nähe zu graphischen Karikaturen bzw. Character-Karikaturen auf. Kapitel III wendet sich nun deutschen Beispielen zu und beschäftigt sich eingehend mit Karl August Böttigers Monographie von 1796 zu dem Spiel von August Wilhelm Iffland sowie den Kritiken an diesem Werk durch Ludwig Tieck und Johann Wolfgang von Goethe. Gerade hier wird eine Frage deutlich, die in der Ekphrasis-Forschung immer wieder aufkommt: Inwieweit ist es überhaupt möglich, ein Artefakt (wie die schauspielerische Darbietung von Iffland) in ein anderes Medium mit medialen Eigengesetzlichkeiten zu übertragen, ohne dass daraus ein ,,Flick- und Lappenwerk" (284) wird? Ob sich Mimen-Ekphrasen mehr auf Details und Einzelheiten oder das Ganze konzentrieren, wird bei den folgenden Quellenanalysen immer wieder behandelt. Die Frage nach dem Ganzen [End Page 535] sowie Vorstellungen und Umsetzungen von Einheit werden im folgenden Kapitel IV an Beispielen wie Goethes Elegie ,,Euphrosyne" von 1789 über die Schauspielerin Christiane Becker-Neumann, Wilhelm von Humboldts Aufsatz über den französischen Schauspieler François-Joseph Talma und verschiedenen Rezensionen Ifflands weitergeführt. Singer analysiert diese anhand von Strategien zur einheitlichen Kunstbeschreibung, welche auf einem Essay von Karl Philipp Moritz zur Kunstbeschreibung (354) basieren.

Kapitel V und VI beschäftigen sich mit Quellenbeispielen um 1900. Trauerelegien auf Friedrich Mitterwurzer und Josef Kainz von Hugo von Hofmannsthal sowie eine Monografie von Eugen Guglia werden als Textbeispiele genutzt und unter anderem unter dem Gesichtspunkt eines Gegenentwurfs zur Mimen-Ekphrasis im Zeichen des Literaturtheaters analysiert. Hier werden Bildstrategien entwickelt, die sich gegen das Literaturtheater und Verkörperung richten und sich stattdessen...

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