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  • Handbuch Sprache in der Literatur by Herausgegeben von Anne Betten, Ulla Fix und Berbeli Wanning
  • Yun-Young Choi
Handbuch Sprache in der Literatur. Herausgegeben von Anne Betten, Ulla Fix und Berbeli Wanning. Berlin, Boston: de Gruyter, 2017. xix + 584 Seiten + 4 s/w Abbildungen. €179,95 / $206.99 gebunden oder eBook.

Das Handbuch Sprache in der Literatur enthält 28 Aufsätze, die eine aktuelle Bestandsaufnahme der germanistischen Forschung zum Thema ,,Sprache in der Literatur" liefern. Die Verfasser*innen, renommierte Germanist*innen, gehen dabei nicht von bestimmten Theorien, Methoden oder Diskursen aus, sondern von dem gemeinsamen Gegenstand der deutschen Sprache in der Literatur. Dennoch tauchen in einzelnen Aufsätzen oft textlinguistische, dialoglinguistische oder systemtheoretische Begriffe und Ansätze dominant auf, die sich inzwischen in der deutschen Germanistik etabliert haben. Die einzelnen Titel und Themen bieten neueste Forschungsergebnisse in Bezug auf die Rolle der Sprache in der Literatur sowie die Möglichkeiten, wissenschaftlich von ihr zu sprechen. Die Herausgeberinnen fragen diesbezüglich, ,,welches Wissen gebraucht wird, um literarische Texte zu produzieren und verstehen" (ix), wobei unverkennbar der Aspekt des ,,Wissens" in der Literatur betont wird. Das heißt, dass epistemologischen Erläuterungen eine besondere Bedeutung zukommt, was unter anderem der Aufsatz von Michael Hoffmann über die Ironie explizit zeigt. Außerdem kann man ersehen, dass das ,,Phänomen des Abweichens" in der literarischen Sprache (xi), die ,,Deautomatisierung als poetologisches Prinzip" (xi) sowie der textuelle Charakter der Literatur fast allen Betrachtungen klar als Ausgangspunkte dienen.

Wenn man die rund 200 Jahre germanistischer Wissenschaftsgeschichte mit in Betracht zieht, kann man erkennen, wie sich die Identität, Themen, Methoden und Umfang der germanistischen Forschung im Laufe der Zeit verändert haben. Die im Handbuch behandelten Stichworte und Themen, die sich sicher von den Begriffen und Konzepten vergangener philologischer Untersuchungen unterscheiden, reflektieren gegenwärtige Forschungsinteressen und Literaturkonzepte. Die ausgewählten Themen und Schlüsselbegriffe selbst – wie z. B. Diskurslinguistik, Fiktionalitätssignale und fingierte Mündlichkeit – zeigen die Ausdifferenzierung und aktuellen Interessen der zeitgenössischen Germanistik und bieten die neuesten Antworten auf alte, aber relevant gebliebene Kernfragen. Die Präferenz für eine synchrone Betrachtung [End Page 525] wird unverkennbar deutlich, aber die diachrone Achse spielt in einzelnen Aufsätzen, in denen die Begriffs-, Diskurs- oder Sachgeschichte dargestellt wird, ebenfalls eine große Rolle. Dies gilt beispielsweise für die Beiträge von Lars Koch (Angst und Gewalt), Marina Münkler (Freundschaft), Michaela Reinhardt (Mündlichkeit und Sprachgestalt im Theatertext) oder Ulrich Breuer (Sprache in der Lyrik). Monika Schmitz-Emans befasst sich mit Autor*innenbild sowie Autor*innenschaft – von dem alten göttlichen Dichter ,,poeta vates" (206) bis zum zeitgenössischen ,,poeta linguisticus" (230) –, und Hermann Korte überzeugt mit einem anschaulichen synchronen wie diachronen überblick über grundsätzliche Merkmale der Sprache im Theater.

Das Handbuch ist in sechs Abschnitte gegliedert: ,,Grundlegendes", ,,Textbeschaffenheit", ,,Textproduktion", ,,Textmerkmale von Epik, Lyrik und Dramatik", ,,Textrezeption" und ,,Perspektiven auf besondere literarische Bereiche". Diese Einteilung vermag nicht ganz zu überzeugen, da zwischen einzelnen Teilen nicht immer trennscharf zu unterscheiden ist; so könnten etwa einige Beträge zur Textproduktion durchaus in den Teil zur Textbeschaffenheit gehören. Jedoch sind alle einschlägigen Forschungsbegriffe, die literarische sprachliche Phänomene charakterisieren, konkret, detailliert und fachwissenschaftlich behandelt, etwa ,,Abweichen" (Britt-Marie Schuster), ,,Metapher" (Simona Leonardi sowie Jens Birkmeyer), ,,Ironie" (Michael Hoffmann), ,,Dialogizität und Intertextualität" (Angelika Redder), ,,Medialität" (Ernst W. B. Hess-Lüttich), ,,Emotionen" (Monika Schmitz-Friesel), ,,Fiktion oder Fiktionalität" (Georg Weidacher und Marie-Héle`ne Pérennec), ,,ästhetizität" (Henrik Nikula) und literarische ,,Semiotisierung und Semantisierung" (Hanspeter Ortner). Formale Besonderheiten der Literatur in Bezug auf den Satzbau und die Zeichensetzung als Stilmittel werden von Martina Wörgötter ebenfalls exemplarisch behandelt.

Wie die Herausgeberinnen selbst zugeben, hat die Kategorie ,,Grundlegendes" nicht die übliche Funktion, Forschungsinteresse, Themen, Methoden oder Theorien der Beiträge zusammenzufassen. Vielmehr stellt der Aufsatz von Thomas Hecken noch einmal die prinzipielle Frage, was heutzutage Literatur ausmacht, und seine Antwort geht dabei von dem Versuch einer Begriffsdefinition von Literatur und ihrer Unterscheidung von Nicht-Literatur aus. Aufsätze von Lars Koch und Marina Münkler befassen sich zwar mit derselben Fragestellung, aber auf indirekte Weise mittels der historischen Betrachtung der Angst seit 1800 einerseits (Koch) und...

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