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Reviewed by:
  • Kunstwerk als Handlung. Transformationen von Ausstellung und Teilnahme by Marita Tatari
  • Marten Weise (bio)
Marita Tatari, Kunstwerk als Handlung. Transformationen von Ausstellung und Teilnahme, München Fink 2017 233, Seiten.

In Kunstwerk als Handlung umreißt Marita Tatari einen Begriff des handelnden Kunstwerks, der verbreitete Vorstellungen zu Performativität und zum Postdramatischen unterläuft. An Grundlagentexten der Theaterwissenschaft orientiert und als Grundlagenforschung zwischen den Feldern der Geschichtsphilosophie und der Theorie des Dramas verortet, arbeitet Tataris Studie dabei eine Reflexivität der Aufführung heraus, die sie im Anschluss an Jean-Luc Nancy als Aktualisierung von Alterität und Selbstdifferenz im sinnlichen Element begreift. Entgegen eines Vorrangs der Präsenz und der Verwirklichung, so die These Tataris, verschiebe sich die Ordnung des Ästhetischen im Zeitalter nach einer Geschichtsteleologie heute zur Aufführung einer unendlichen Singularität. Die Theaterformen der Gegenwart seien weniger als eine Überwindung des (in sich geschlossen verstandenen) dramatischen Kunstwerkes zu begreifen, sondern vielmehr als eine Transformation jenes Feldes, welches von jeher durch Ausstellung und Teilnahme geprägt gewesen sei. (S. 10/11) Eine Geschichte des Theaters abseits der Auffassung von geschichtsteleologischem Fortschritt, so ließe sich der Zielpunkt der Studie zusammenfassen, sei nicht nur für eine Analyse von Gegenwartstheater hilfreich, wie Tatari im letzten Kapitel und auf vergleichsweise kleinem Raum mit der Diskussion von Arbeiten [End Page 214] von Jürgen Gosch, Laurent Chétouane, Hofmann&Lindholm und anderen aufzuzeigen sucht. Sie helfe auch retrospektiv dabei, dem (klassischen) Drama eine ästhetische Qualität abzugewinnen, in der die sinnliche Entfaltung des Sprechens, des Spiels und die Charaktere als Intensitäten des Sinnlichen zu einem Eigenrecht kommen (S. 77/78).

Im Denken der französischen Philosophie verwurzelt, begreift Tatari die „Ästhetik des Abendlandes" ausgehend von Jean-Christophe Baillys Studie Le champ mimétique als eine Geschichte der Distanz. Darstellung als „Bezug ohne Bezugspunkte" geht demzufolge darüber hinaus lediglich Darstellung eines oder für ein Subjekt zu sein oder die Produktion von Subjektivitätseffekten zum Zweck zu haben: „Das Zuschauen ist nicht das Zuschauen bestimmter Individuen, die sich auf einen Gegenstand beziehen, sondern es ist das Stattfinden der Alterität, die sich in dem sich ausstellenden sinnlichen Bezug öffnet." (S. 38) In ihrer Auseinandersetzung mit Fragen der Darstellung verweist sie – wie im Verlauf der Studie häufig – auf Nancys Begrifflichkeit des „Mitseins", d. h. eine den Aspekt einer gleichursprünglichen Alterität des Erscheinens (des Daseins) akzentuierende Lektüre der Philosophie Martin Heideggers. Den „sich ausstellenden Bezug" der Darstellung bringt Tatari – in Form einer Kritik der Kritik – gegen die These vom Zeitalter einer geschlossenen Repräsentation in Stellung, welche das Drama lediglich als Semiotechnik einer bürgerlichen Subjektideologie begriffen habe. (S. 68)

Friedrich Kittler etwa reduziere im Rückgriff auf Reinhart Koselleck das Drama in seiner Lektüre von Lessings Emilia Galotti auf die Hervorbringung des Selbst und des gelungenen Selbstbezugs: „Im Drama – und das meint bei Kittler in der Dialektik der handelnden Charaktere – sieht er das Hervorbringen des Paradigmas dieser neuen „Intersubjektivität" und zwar als eine Sprachordnung, die die Utopie, den Mangel oder das Imaginäre ihres Fundaments verbirgt." (S. 65) Die Kritik des dramatischen Modells habe, Tatari zufolge, die dichotomische Struktur und seine Aufhebung ins Sprachlich-imaginäre dem Drama einerseits untergeschoben und andererseits als widersprüchliche und schlechte Aktualisierung von Subjektivität charakterisiert. Die mit der Begrifflichkeit des Postdramatischen angestoßene Auseinandersetzung mit der Krise des bürgerlichen Dramas (Szondi) werde als Selbstverwirklichung des Theaters durch das Hervortreten der Theatralität charakterisiert (Hans-Thies Lehmann, Erika Fischer-Lichte), bewege sich dabei aber noch in jener Fortschrittslogik, die dem Kritisierten mit der Behauptung einer nun überwundenen dialektisch-zwischenmenschlichen Geschlossenheit der Repräsentation, seinerseits unterstellt wurde. In einer solchermaßen aufgestellten Kritik am Drama, die in ihm nur die Repräsentation von Natürlichkeit der Gestalten und Bildlichkeit ihrer Individualität (S. 77, Günther Heeg) erkennt, gehen, so Tatari, die spezifisch ästhetischen Merkmale des Theaters als Theater verloren, nämlich die Ausstellung und Teilnahme an der Aufführung eines sinnlichen Erscheinens. (S. 16 ff.) Tataris mitunter harte Polemik gegen die genannten Referenzen der Theorie des Theaters im 20. Jahrhundert, denen sie nur ein einseitiges Verständnis der dramatischen Epoche zugesteht, liefe bei teilweise inhaltlicher...

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