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Reviewed by:
  • Women Doctors in Weimar and Nazi Germany: Maternalism, Eugenics, and Professional Identity by Melissa Kravetz
  • Anja Katharina Peters
Women Doctors in Weimar and Nazi Germany: Maternalism, Eugenics, and Professional Identity. By Melissa Kravetz. Toronto: University of Toronto Press, 2019. Pp. xiv + 326. Cloth $75.00. ISBN 978-1442629646.

Das vorliegende Buch stellt die veröffentlichte geschichtswissenschaftliche Dissertation von Melissa Kravetz dar. Kravetz ist aktuell an der Longwood University (Virginia) tätig und forscht zu europäischer Neuerer Geschichte mit Schwerpunktsetzung auf Deutschland, Frauen- und Gendergeschichte und Geschichte der Sexualität, zur Geschichte des Essens sowie Wissenschafts- und Medizingeschichte.

Kravetz fokussiert in ihrer Darstellung deutscher Ärztinnen während der Weimarer [End Page 417] Republik und der nationalsozialistischen (NS) Diktatur auf diejenigen, die im Bund Deutscher Ärztinnen organisiert waren. Der Bund Deutscher Ärztinnen wurde 1924 gegründet und hatte 1933 über 900 Mitglieder. Er vertrat damit mehr als ein Viertel der deutschen Ärztinnen. Weit über die Hälfte der Mitglieder wurde 1933 als "nicht-arisch" eingestuft. Die Geschichte des Bund Deutscher Ärztinnen und heutigen Deutschen Ärztinnenbundes e.V. muss also nicht nur als Frauen- und Medizingeschichte, sondern kann also nur im Kontext der jüdischen Frauenbewegung und Emanzipation in Deutschland gelesen werden.

Kravetz geht jedoch weniger auf die Verbandsgeschichte an sich ein, sondern analysiert die Publikationen des Bund Deutscher Ärztinnen sowie der in ihm organisierten Ärztinnen, um die Rolle deutscher Ärztinnen im Gesundheitswesen 1918–1945 zu untersuchen. Sie identifiziert fünf Tätigkeitsfelder, in denen Ärztinnen schwerpunktmäßig tätig waren: kommunale, staatliche und kirchliche Eheberatungsstellen, als Schulärztinnen, im Kampf gegen Geschlechtskrankheiten, Alkoholismus und Prostitution sowie in den von Dr. Marie-Elise Kayser (1885–1950) begründeten Muttermilchsammelstellen. Während des NS kam die Mitarbeit im Bund Deutscher Mädel und im Reichsmütterdienst hinzu.

Dass sich die Ärztinnen dieser Themen annahmen, lag in den Vorbehalten der Standeskollegen gegenüber Ärztinnen begründet: Die prestigeträchtigen Disziplinen und Lehrstühle waren von Männern besetzt und die waren nicht gewillt, ihren erst seit wenigen Jahrzehnten tätigen Kolleginnen Platz zu machen. So suchten diese sich Nischen, in denen weniger Konkurrenz herrschte. Auch hier korreliert die Geschichte der Ärztinnen mit der jüdischer Mediziner_innen generell, da auch jüdische Ärzte seit der Zulassung von Juden zum Studium ab den 1870er Jahren vor allem in den neuen medizinischen Disziplinen Fuß fassen konnten.

Zudem konnten die Ärztinnen aus geschlechtsbezogener Perspektive Expertise reklamieren: Als zumeist verheiratete Frauen und Mütter waren sie in der Lage, ihren Patientinnen als verständnisvolle Ratgeberinnen zu begegnen. Auch argumentierten sie, dass es Mädchen und Frauen leichter fallen würde, mit einer Frau über intime Fragen zu sprechen als mit einem Mann. Gleichwohl weist Kravetz darauf hin, dass zwischen Ärztinnen und Patientinnen meist ein erheblicher Klassenunterschied bestand, der zu einer bevormundenden, maternalistischen Grundhaltung den Patientinnen gegenüber führte. Diese hierarchische Beziehung wiederum resultierte in einer frühen Einbindung der Ärztinnen in sozialhygienische Bemühungen und ihr ausgeprägtes Interesse in Eugenik. Sozialhygiene stellte einen Zusammenhang her zwischen Gesundheit und Krankheit und den Lebensbedingungen der Menschen. Besonders in den Großstädten waren Ärztinnen mit den desperaten Lebensverhältnissen von Frauen aus der Arbeiterklasse konfrontiert. Beengte Wohnverhältnisse, Massenarbeitslosigkeit, gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen sowie mangelhafte Verhütung führten zu einer großen Kinderzahl, schlechtem Gesundheitszustand [End Page 418] der Frauen und wiederholten, oft fatalen illegalen Abtreibungen. Das Interesse der Ärztinnen an ihren Patientinnen war genuin; gleichzeitig sahen sie die Ursachen für viele Übel wie Alkoholismus als genetisch an und das Elend des Proletariats als Belastung für den Sozialstaat. Nicht zuletzt empfanden die dem Bildungsbürgertum zugehörigen Ärztinnen die Gefahren, die angeblich von den unteren Klassen ausgingen wie Prostitution und Geschlechtskrankheiten, als Bedrohung ihrer eigenen sozialen Schicht. Eugenische Maßnahmen wie Sterilisationen—die im NS dann zwangsweise erfolgten—dienten so vorgeblich dem Wohl der betroffenen Frauen, in eugenischer Logik jedoch vor allem dem Gemeinwohl und ab 1933 dem "gesunden" Volkskörper. Dabei war die Erbgesundheitslehre keine deutsche Erfindung, sondern in allen westlichen Staaten populär. Das deutsche Reich pervertierte sie ab 1933 durch Zwangssterilisationen und -abtreibungen und letztendlich die Euthanasie-Morde am konsequentesten. Die Einbindung der Ärztinnen in diese Verbrechen ist jedoch nicht Gegenstand des...

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