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  • Neuere Veröffentlichungen im Bereich deutsch-jüdischer Studien:Facetten eines grand récit
  • Frederick Lubich
Bambi's Jewish Roots and other Essays on German-Jewish Culture. By Paul Reitter. New York, London: Bloomsbury, 2015. x + 282 pages. £18.00 hardcover, £14.40 e-book.
Bestiarium Judaicum: Unnatural Histories of the Jews. By Jay Geller. New York: Fordham University Press, 2018. ix + 404 pages + 18 b/w illustrations. $75.00 hardcover, $74.99 e-book.
Mixed Feelings: Tropes of Love in German Jewish Culture. By Katja Garloff. Ithaca, NY: Cornell University Press, 2016. xi + 213 pages. $89.95 hardcover, $29.95 paperback, $14.99 e-book.
Schtetl, Stadt, Staat. Raum und Identität in deutschsprachig-jüdischer Erzählliteratur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Von Petra Ernst. Wien: Böhlau, 2017. 474 Seiten. €48,00.
,,Um zu erleben, was Geschichte ist, muss man Jude sein". Jenny Aloni – eine deutsch-jüdische Schriftstellerin Von Hartmut Steinecke. Bielefeld: Aisthesis, 2017. 280 Seiten + 56 s/w Abbildungen. €19,80.

Die obengenannten Neuerscheinungen bestätigen in Auswahl die anhaltende akademische Relevanz der deutsch-jüdischen Studien. So wie das Judentum in der abendländischen Geschichte jahrhundertelang unterdrückt, verfolgt und schließlich zu großen Teilen vernichtet worden war, so kehrte es in den letzten Jahrzehnten im Geiste – ganz im Sinne der Freud'schen Theorie von der ,,Wiederkehr des Verdrängten" – in seiner einmaligen kulturgeschichtlichen Bedeutung umso nachdrücklicher wieder ins Bewusstsein unserer westlichen Zivilisation zurück. Diese Rückkehr erstreckt sich von der internationalen Wiedergeburt der Klezmermusik über die multimediale Erinnerungskultur zur systematischen Erforschung der deutsch-jüdischen Literatur. Dieses Wechselspiel der geschichtlichen Widersprüche wäre sicherlich auch ein weiteres [End Page 127] treffendes Beispiel für Hegels dialektische Geschichtsphilosophie und – last but not least – Adornos und Horkheimers Dialektik der Aufklärung. Der vorliegende Review Essay ist dem Geist dieser geschichtlichen Aufklärung eingedenk und versucht, die vielfachen theoretischen, literarischen, historischen und biografischen Aspekte der folgenden fünf literaturwissenschaftlichen Studien in ihren wesentlichen Zügen zu erfassen.

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Paul Reitters Textsammlung Bambi's Jewish Roots vereinigt sechsundzwanzig mehr oder weniger journalistisch konzipierte Essays, die den Angaben des Verfassers zufolge zum Großteil bereits in verschiedenen Zeitschriften erschienen sind, wie zum Beispiel The Nation, Times Literary Supplement, Harpers and Jewish Review of Books. Der leicht ironisch anmutende Buchtitel mit dem erheblich kleiner gedruckten Untertitel wird allerdings der Anthologie insgesamt nicht ganz gerecht, denn er suggeriert eine Textsammlung zu primär artverwandten Themen transatlantischer, deutsch-jüdisch-amerikanischer Unterhaltungskultur. Diese Erwartung könnte nicht irreführender sein. Die Bandbreite dieser Aufsatzsammlung reicht vielmehr von kanonischen Autor*innen wie Heinrich Heine, Ludwig Börne, Arthur Schnitzler, Franz Kafka, Sigmund Freud, Ludwig Wittgenstein, Felix Salten und Hugo von Hofmannsthal über Gershom Scholem, Nelly Sachs und Erich Auerbach bis zum Verfasser von Mein Kampf. Vervollständigt wird dieser Bogen über den Abgrund des Holocaust mit Rückblicken auf relevante Themenkomplexe wie ,,Holocaust Imponderables", ,,Racism: Coded as Culture?" und ,,The Paradox of Holocaust Literature: A Guide for the Deeply Perplexed", um nur einige der abschließenden Essaytitel zu zitieren. In Bezug auf die (Post-) Holocaust-Themen wäre ein provokanterer Buchtitel wie zum Beispiel ,,Bambi in Buchenwald" ein deutlicherer Hinweis auf jene unsägliche Wirklichkeit des Völkermords gewesen, welche die Werbetrommler des Dritten Reichs als erfundene ,,Gräuelmärchen" der Alliierten abzutun suchten.

Dem hohen Abstraktionsniveau so manch theorieinspirierter Studien folgend, bietet auch Reitter wiederholt Entsprechendes, wie etwa im Zusammenhang mit Freuds psychoanalytischen Spekulationen um die wahre Mission und eigentliche Identität von Moses oder in mehr oder weniger verspielten Hypothesen in Essays wie ,,Gender Unbender: Pierre Bourdieu and the Enigmatic Durability of Bad Values". Mehrere von Reitters Texten behandeln auch Übersetzungsfragen, am programmatischsten wohl in seinem Essay ,,That Other Metamorphosis. Translating Kafka", in dem er mehrere Kafka-Übersetzungen kritisch unter die Lupe nimmt. In ,,Kafka's Identity Politics" referiert der Autor die von Michael Steinberg entwickelte These vom Gegensatz zwischen preußischen und österreichischen Juden, oder ,,Protestant Jews" versus ,,Catholic Jews" (168), und dekonstruiert derartige Stereotypisierungen exemplarisch am Beispiel von Hannah Arendt und Stefan Zweig. [End Page 128]

Immer wieder begegnet man in diesen Texten Rivalitäten und Animositäten unter jüdischen Schriftstellern...

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