In lieu of an abstract, here is a brief excerpt of the content:

Reviewed by:
  • Alban Berg. Biographie by Barbara Meier
  • Peter Höyng
Barbara Meier, Alban Berg. Biographie. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2018. 342 S.

Alban Bergs Lebensbeschreibung (1885–1935) von Barbara Meier besticht durch ihre Sachlichkeit. Diese Biographie verdient auch unter KollegInnen, die sich normalerweise nicht mit moderner Musik auseinandersetzen oder Musikerbiographien abgeben, Aufmerksamkeit.

Denn für Literaturwissenschaft lerInnen und auch KulturhistorikerInnen stellt Alban Berg insofern einen Sonderfall dar, als dass er sich zeitlebens für moderne Literatur interessierte, ja in Jugendjahren literarisch ambitioniert war und sich später auch als Musikschrift steller hervortat. Darüber hinaus gehörte er nicht nur zu den vehementen Verfechtern von Karl Kraus, sondern vertonte Texte von Charles Baudelaire bis zu Peter Altenberg. Außerdem pflegte er auch eine enge Freundschaft zum Journalisten und vernachlässigten Autor Soma Morgenstern, und war durch die Freundschaft mit Alma Mahler sehr gut mit Franz Werfel bekannt. Theodor W. Adorno, sein bekanntester Kompositionsschüler, wurde für ihn zu einem freundschaft lichen Vertrauten, nachlesbar durch ihren gut dokumentierten Briefaustausch.

Dass Berg unter GermanistInnen bekannt bleibt, verdient er selbstredend durch seine beiden Opern Wozzeck (1925) nach Büchners Dramenfragment Woyzeck und der (unvollendet gebliebenen) Lulu (postum 1937) nach Frank Wedekinds Tragödien Erdgeist und Die Büchse der Pandora. Kurzum, die Verflechtungen zwischen Bergs musikalischer Avantgarde und seinem Umgang mit Kunstschaffenden der frühen Moderne (vor allem in Wien und Berlin) gestalten sich ausgesprochen vielfältig. Zu dem erweiterten Verständnis der frühen Moderne gehört auch Bergs Begeisterung fürs Autofahren, die teils seine Phobie gegenüber den vielen Zugreisen zu kompensieren vermochte. Das dazugehörige Kapitel lautet, wie viele der insgesamt 42 Abschnitte, chiffriert "Der blaue Vogel".

Zu den zahlreichen Netzwerken innerhalb der Avantgarde steht für Berg an zentraler Stelle sein Kompositionslehrer Arnold Schönberg (1874–1951), [End Page 92] der durch seine Zwölft onmusik traditionell-tonale Strukturen und Hörgewohnheiten außer Kraft setzte und dadurch den kompositorischen Weg für Berg, Anton von Webern und anderen vorzeichnete. Ab 1904 wurde der junge Alban Berg Schüler Schönbergs und blieb es offiziell bis 1911, dem Jahr als Schönberg seine Harmonielehre erstmals publizierte. Doch wie Meiers Biographie eins ums andere Mal deutlich macht, bleibt der Schatten des Lehrers sein Leben lang übergroß. Mal kennt Berg seine Verehrung für den Lehrer und Künstler, zusammen mit seinem Musikerfreund Anton von Webern, keine Schranken, dann wiederum ist er und sind sich beide der emotionalen und beruflichen Abhängigkeiten zu ihm lamentierend bewusst. Für dieses labile und ungute Schüler-Lehrer-Verhältnis unter allen Dreien kann als einer von vielen Belegen ein Brief Schönbergs an Webern aus dem frühen New Yorker Exil von 1934 gelten: "Und da wir Juden ja in dieser Zeit es hundertmal erlebt haben, dass Unglaubliches geschehen ist, dass heute plötzlich Nazi worden waren, die noch gestern Freunde waren, so konnte ich mir euer Schweigen (insbesondere Bergs) gar nicht anders erklären, als dass auch ihr dort euch angeschlossen habt" (247).

Auch wenn Alban Berg kaum Sympathien für die Nazis gehabt hat, so verschweigt Meier keineswegs dessen berufsbedingte antijüdische Ressentiments (242), und seine karrierebedingte Hoffnung 1934 auf eine Berufung an die Berliner Musikhochschule, die "ein kolossaler Triumpf wäre" (242). Wie stets zitiert Meier wo immer möglich in den laufenden Text reichlich aus den Briefen Bergs an seine Frau Helene, Adorno, Schönberg, Webern, Morgenstern, usw; und dennoch gelingt es ihr, dass die Darstellung trotz ihrer 1007 belegten Fußnoten nie überladen wirkt. Diese sorgfältige Kenntnis der Quellen ermöglicht Meier auch solche Momente von Bergs Leben zu berichten, die er selbst bestens als Geheimnis vor seiner Frau hatte hüten können: zum einen sein sexuelles Verhältnis mit einem Küchenmädchen, das ihn als Schüler zum Vater seiner Tochter Albine machte (14–15); uns zum anderen sein Liebesverhältnis zur jüdischen Fabrikantin Hanna Fuchs-Robettin, der Schwester Franz Werfels. Geschickt verstand es Berg, seiner eifersüchtigen Frau diese Affäre zu verheimlichen; und erst 1976 tauchten 14 Briefe zwischen Berg und Fuchs auf, für die teils Alma Mahler-Werfel und Adorno als "Postboten" dienten.

Bleibt die...

pdf