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  • Christoph Nix. Theater_Macht_Politk. Zur Situation des deutschsprachigen Theaters im 21. Jahrhundert by Christoph Nix
  • Daniele Daude (bio)
Christoph Nix. Theater_Macht_Politk. Zur Situation des deutschsprachigen Theaters im 21. Jahrhundert (Reihe Recherchen 126). Berlin: Verlag Theater der Zeit 2016, 230 Seiten.

Christoph Nix, seit 2006 Intendant des Konstanzer Schauspielhauses, ist keine unbekannte Persönlichkeit der deutschsprachigen Theaterlandschaft. Bereits in den 1990er Jahren des letzten Jahrhunderts publizierte der promovierte Jurist Essays und Artikel zu den ökonomischen und kulturpolitischen Hintergründen des Theaterbetriebs, in denen er auch die spezifischen Rechtsfragen behandelte.1 [End Page 194] Theater_Macht_Politik. Zur Situation des deutschsprachigen Theaters im 21. Jahrhundert basiert auf seiner Dissertation in diesem Themenfeld. Dabei liegt die Besonderheit dieser Arbeit weniger in der Thematik ‚Politik und Theater', welche in den letzten Jahrzehnten bereits zum Gegenstand zahlreicher Untersuchungen wurde, als vielmehr in einem interdisziplinären Ansatz, der philosophische und theaterwissenschaftliche Theorien einerseits mit Methoden der empirischen Sozialforschung andererseits verbindet.

Theater und Politik

In den letzten Jahrzehnten lässt sich ein wachsendes Interesse am Forschungsgegenstand ‚Theater und Politik' beobachten.2 Über die Bestimmung dessen, was unter ‚politisch' verstanden werden soll, herrscht in den Theaterwissenschaften allerdings keine Einmütigkeit. Ausgehend von unterschiedlichen Auffassungen des Politischen fallen nicht nur Forschungsgegenstände, sondern auch methodische Ansätze und theoretische Hintergründe äußerst unterschiedlich aus. Anstelle einer ausführlichen Darstellung dessen, was dann politisches Theater sei, beschränkt sich der Autor auf drei Tendenzen des aktuellen Forschungskontexts.

In der ersten Auffassung stellt die Benennung ‚Politisches Theater' eine Tautologie dar. Hier wird Theater sowohl als Ergebnis als auch als Anreger von Ereignissen innerhalb der Polis erfasst. Das Politische wird folgerichtig nicht an den Inhalten eines Theaterstückes festgemacht, sondern an der Aufführungssituation selbst, innerhalb derer Affekte und Emotionen zwischen Akteur*innen und Zuschauer*innen verhandelt werden. Diese Definition fußt wiederum auf einem historisch gewachsenen Verständ-nis von Theater als einem wirksamen Ort zur Aushandlung von Intersubjektivität. Für Aristoteles etwa ermögliche die Tragödie die Reinigung von Affekten durch die Katharsis, für Augustinus sei Theater durch die ‚Schaustellungen von Schändlichkeiten' moralisch höchst verwerflich, während Schiller im Betrieb einer Schaubühne Möglichkeiten der sittlichen Bildung der Bürger sieht. Als die Avantgarden des 20. Jahrhunderts neue dramatische Formen und Themen hervorbrachten, wurde eine Reflexion über die Wirkung von Theater angestoßen und auf neue Inhalte bezogen.

Eine zweite und engere Auffassung des Politischen Theaters stellt daher heraus, wie zeitgenössische Themen und Bezüge in Dramen und Inszenierungen aufgenommen und szenisch verarbeiten werden. In der dritten Auffassung werden Politik und Theater von struktureller Ebene aus erfasst. Während ‚Politik' metonymisch für Staatspolitik gilt, wird ‚Theater' als Institution (Theaterbetrieb) innerhalb einer umfassenden regionalen und nationalen Kulturpolitik aufgefasst.

Nix beruft sich auf alle drei Auffassungen des Politischen. Dabei setzt er erstens eine transformative Kraft des Theaters voraus, zweitens sieht er „revolutionäre" Autor*innen der 1968er Jahre als Paradigma für ein Politisches Theater an, und drittens übt er eine ausführliche Kritik am bestehenden Theaterbetrieb und der herrschenden Kulturpolitik. Das Forschungsinteresse liegt dabei insbesondere auf dem Politischen im Sinne von Staatspolitik im Verhältnis zu Theater als Institution.

Politik wird hier im Sinne der modernen Politikwissenschaften sowohl in ihrer institutionellen (soziales Handeln von Individuen und Organisationen), sowie in ihrer prozesshaften Dimension verstanden. Als politisch soll der Prozess begriffen werden, in dem sich eine Gesellschaft befindet, die unaufhörlich damit beschäftigt ist, die Frage der Macht zu verhandeln. Politik stellt die diskursive Arbeit und die Lust der Subjekte an der Polis dar, innerhalb eines Systems, dessen selbst gesetzte Normen entweder zu bestätigen oder subversiv in Frage zu stellen (S. 19).

Der Theaterbetrieb unter der Lupe

Ausgehend von der These, dass Theater entpolitisiert wird, untersucht Nix die Faktoren und Akteur*innen dieser Entpolitisierung seit den 1960er Jahren. Das Ziel besteht darin, zu „wissen, wie im Verhältnis von Theater, Recht und Politik der neoliberale Einfluss gewirkt haben wird" (S. 12). Die „Entpolitisierung des Theaters" wird dabei als Teilprozess einer globalen „Entpolitisierung der Gesellschaft" begriffen, in [End Page 195] dem staatliche Strukturen im Sinne aller systematisch abgebaut werden, während privat- wirtschaftliche Interessen im Sinne einer kleinen Gruppe zu entscheidenden Akteuren der aktuellen...

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