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Reviewed by:
  • Mann, Männer, Männlichkeiten. Interdisziplinäre Beiträge aus den Masculinity Studies ed. by Susanne Hochreiter, Silvia Stoller
  • Peter Höyng
Susanne Hochreiter and Silvia Stoller, Hrsg., Mann, Männer, Männlichkeiten. Interdisziplinäre Beiträge aus den Masculinity Studies. Wien: Praesens, 2018. 178 S.

Die diskursive Einführung und nachfolgenden acht konzisen Beiträge die- ses schmalen Sammelbandes las ich aus Neugierde und als Novize zur Thematik. Diese Schieflage aus dem Einsteiger-Dasein des Rezensenten gegenüber den überwiegend durch gewichtige Veröffentlichungen ausge- wiesenen WissenschaftlerInnen birgt natürlich den Nachteil, dass ich we- der die Forschungsfelder von Masculinity Studies oder Men’s Studies im anglo-sächsischen noch das zur Männlichkeitsforschung im deutschspra- chigen Wissenschaftsraum sowie deren sich überlappenden Netzwerke aus Vorkenntnissen überschauen kann, und ich mithin in diesem sprachlich so ausdifferenzierten Diskurs, wie er sich in dem vervielfältigenden Titel des Bandes bereits widerspiegelt, versiert bin. Der Vorteil als Neuankömmling besteht allerdings nicht nur darin, einen unbedarften Einblick zu diesem Diskurs in Form einer Rezension mitteilen zu können, sondern vor allem kei- nerlei wissenschaftliches Eigeninteresse oder Deutungshoheit innerhalb die- ses international und ausgesprochen interdisziplinär gefärbten Diskurses, der [End Page 189] sich aus der Geschlechterforschung herausgeschält hat und doch Teil dessen geblieben ist, zu beanspruchen.

Meine eingangs erwähnte Neugierde war bestimmt, wie ich mich als Mann neu orientieren kann in Zeiten der #MeToo-Bewegung, der Migranten- und-Flüchtlings-Krise, die oft auch gekoppelt wird an sexuelle Übergriffe von Männern an Frauen wie, pars pro toto, an Silvester in Köln 2015/2016, oder in Zeiten derjenigen weißen Männer, die sich mit einem ausgesprochen sexistisch-misogynen Präsidenten im Weißen Haus identifizieren, oder in Zeiten erreichter gleichgeschlechtlicher Zivilehe in Deutschland; meine Motivation war also in diesen Umbruchs- und Krisenzeiten, in denen direkt oder indirekt divergierende Männlichkeiten auf die Probe gestellt werden, mir einen Überblick und Wegweiser anhand des wissenschaftlichen Diskurses zu diesem Themenfeld zu gewinnen. Und letzteres ist zunächst einmal das erste Verdienst, was diesen Band lesens- und wünschenswert macht. Es gelingt ihm, einem Einsteiger wie mir einen schnellen Aufriss in die unterschiedlichen Themenfelder zu verschaffen. Diese Prädikatsleistung trifft auf den Band als Ganzes zu, insbesondere aber auf diejenigen Einzelbeiträge, die einführenden Charakter zu allgemein gestellten Themen beinhalten, wie etwa der Aufsatz der Mitherausgeberin Sivlia Stoller zur Fragestellung “Was ist philosophische Männlichkeitsforschung?”, oder Herta Nöbauers “Männlichkeiten im Aufbruch: Krisen und Re-Formationen von Männlichkeiten im globalen Zeitalter”, und die luzide Einführung in die Thematik und den Forschungsstand durch die beiden HerausgeberInnen. Was diese drei Aufsätze eignet und sie eint, sind zu allererst die Bereitstellung, sprachliche Begrifflichkeiten zu verflüssigen, Relationen und Komplexitäten benennen zu können, mithin in und durch die Sprache neue Sehmuster auf das, was mit dem Begriff Mann gesellschaftlich assoziiert wird, einzuüben.

Die gesellschaftlichen Erwartungen von dem, was es bedeutet Mann zu sein oder als solcher zu agieren, wird methodisch dadurch im Band komplementiert, das unterschiedliche Disziplinen wie die Kultur- oder Sozialanthropologie, Soziologie oder die hybriden Felder von Women’s und Queer Studies, und zu guter Letzt auch die Literaturwissenschaft ihre Erkenntnisfähigkeiten bereitstellen. Dass ein solcher Band dennoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit beanspruchen kann, auch nicht, wenn er sich dezidiert auf den deutschsprachigen Kulturraum beschränkt, versteht sich von selbst. Das gilt selbst dann, wenn wie Barbara Hindinger in ihren “Überlegungen zur männlichen Rolle in der Literatur des 19. Jahrhunderts” [End Page 190] ein chronologisch wie inhaltlich weites Themenfeld absteckt, dieses aber überzeugend dadurch vermisst, indem sie Männerfiguren in den Werken von Friedrich Hebbel bis zu Gerhart Hauptmann nachgeht, die den patriarchalen Dominanzansprüchen nicht gerecht werden wollen oder können und entsprechend zu “unglücklichen Opfern” werden.

Alssinnvolle Ergänzungbzw. Kontrastzu diesenleidenden Männerfiguren liest sich der Beitrag der Mitherausgeberin Susanne Hochreiter, in dem sie die Wienerin Rosa Mayreder als feministische Avantgarde verortet, die sich in ihren Essays (1905 und 1923 erstmals als Sammelbände erschienen), wie zum Beispiel dem “Von der Männlichkeit”, in der Weise von einer biologischen Sichtweise freigemacht habe, die sie als Vorreiterin heutiger Geschlechterforschung erscheinen lasse. Mayreders...

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