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  • Die Regisseurin Anna Lācis und der lettische Schriftsteller Linards Laicens:Beziehungsgeschichte
  • Ieva Kalniņa

Anna Lācis, Theaterregisseurin, Verbreiterin der Ideen von Brechts Theater und Wegbereiterin der Konzeption für das proletarische Kindertheater, besaß die Gabe, durch ihre Gelehrsamkeit, Ausstrahlung und Anziehungskraft talentierte Männer-Schriftsteller, Regisseure und Philosophenzur schöpferischen Arbeit anzuregen. Einer von ihnen war der lettische Schriftsteller Linards Laicens (1883-1937), einer der bedeutendsten lettischen Lyriker. Lācis hat ihn inspiriert, eine Sammlung von Liebeslyrik Ho-Taī zu verfassen. Sein ganzes Leben lang—von der ersten Publikation 1904 bis zu seinem Tod durch Erschießen 1937 in der Sowjetunion—war er auf der Suche nach neuen Wegen und erlebte viele Umbrüche, was mit der Entwicklung seiner politischen Auffassungen verbunden war. Die bedeutendste Periode in seinem Schaffen sind die 20er Jahre. In seiner Lyrik verbindet er die Merkmale des linken Expressionismus mit der Ästhetik der russischen Gruppe „LEF" (Linke Künstlerfront), die sich auf die Prinzipien der futuristischen Ästhetik stützte: Agitation in freiem Vers (vers libre), Kampflosungen, Befehle, unterschiedliche Länge der Verse u. a. Die Lyrik ist expressiv, dynamisch, sie greift an, will das Massenbewusstsein beeinflussen und unterwerfen. In Anlehnung an die russische Gruppe und ihre Veröffentlichung leitete Laicens in Lettland die Kulturzeitschrift „Kreisā Fronte" („Linke Front").

Als Asja und Laicens Anfang der 20er Jahre in Haft waren, schrieben sie heimlich Briefe aneinander, die sie hinter Gefängnisrohren versteckten. Sie nannten einander Honolulu und Taīti. Daher auch der Titel des Gedichtbandes Ho-Taī. Die Liebeslyrik ist durch freien Vers, Assoziativität, orientalisches Kolorit und durch die Verflechtung von Liebe und gesellschaftlicher Aktivität gekennzeichnet.

In ihren Abhandlungen und Erinnerungen über das kulturelle Leben der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts in Deutschland, Russland und Lettland hat Anna Lācis mehrmals die beruflichen und privaten Beziehungen mit Linards Laicens [End Page 31] erwähnt und in einigen Texten beschrieben. Ihre autobiographischen Arbeiten sind in der Sowjetzeit entstanden, als die Darstellungsmöglichkeiten von privaten Beziehungen in Memoiren eingeschränkt waren. Aus diesem Grund sind die privaten Beziehungen zurückhaltend beschrieben, und nur gut bekannte Tatsachen aus der lettischen Kulturgeschichte werden erwähnt. In Revolutionär im Beruf (1971) ist der Name und Vorname von Linards Laicens nur in seinem kulturhistorischen Aspekt erwähnt, als sich Asja daran erinnert, dass beide in den 20er Jahren in der Kulturarbeit der linken Gewerkschaften Lettlands tätig gewesen waren. In Krasnaja Gvozdika (Die rote Nelke, 1984) spricht sie ganz kurz über ihre privaten Beziehungen mit Laicens im Zusammenhang mit den Ereignissen der Jahre 1921-22. Über die Rigaer Periode 1925-26 spricht sie nur im Kontext der konstruktiven Spiele. Anna Lācis' umfangreichster Artikel über den lettischen Schriftsteller „Lyriker und Revolutionär Linards Laicens—Taīti" ist in der Sammlung Sarkanais semafors (Das rote Semaphor, 1969) veröffentlicht. Darin sind Erinnerungen an Linards Laicens zu lesen, und die in diesem Artikel beschriebenen Situationen variiert Anna Lācis in den anderen Arbeiten. Es ist zu erwähnen, dass im Museum Anna Lācis' Handschriften in lettischer und russischer Sprache erhalten geblieben sind (Lācis RTMM1 400 045). Es gibt auch eine Übersetzung des Artikels aus dem Russischen ins Lettische, die schon in der zweiten Hälfte der 50er Jahre entstanden ist (Lācis RTMM 200196/1). Der Übersetzer war Jūlijs Ķipers, der Herausgeber der ersten Sammlung der Erinnerungen an Linards Laicens Rakstnieks un revolucionārs Linards Laicens (Der Schriftsteller und Revolutionär Linards Laicens, 1959), aber der Artikel wurde nicht in die Sammlung aufgenommen, vermutlich auf Grund der persönlichen Beziehungen zwischen Asja Lācis und Linards Laicens. Aus welchem Grund die erste Variante lettisch und russisch geschrieben wurde, kann man nur raten: Aus der Verbannung zurückgekehrt, schrieb Anna Lācis nicht mehr gut lettisch. Wollte sie den Text Bernhard Reich zum Lesen geben, oder war der Artikel für die russische Presse gedacht? Vielleicht gab es einen anderen Grund.

Als Forschungsquellen für den vorliegenden Artikel dienten die literarischen Werke von Linards Laicens, die im Museum für Schrifttum und Musik Lettlands enthaltenen Fonds von Linards Laicens, Anna Lācis und Jūlijs Lācis, in denen Laicens' und Anna Lācis' Briefe an...

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