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  • Metamedialität und Materialität im Comic. Zeitungscomic - Comicheft -Comicbuch by Christian A. Bachmann
  • Rüdiger Singer
Metamedialität und Materialität im Comic. Zeitungscomic - Comicheft -Comicbuch. Von Christian A. Bachmann. Berlin: Verlag Ch. A. Bachmann, 2016. 290 Seiten + 77 Abbildungen. €39,90.

Über vier Panels (=Comicbilder) hinweg entwickelt sich im Gesicht von,,Little Sammy Sneeze" 1905 ein Niesen, das im fünften explodiert und das Panel in Stücke reißt (72). Ignatz Mouse versteckt 1923 seinen berühmten Ziegelstein in einer Ritze, die er in das Weiß des Panelhintergrundes schneidet (73). Und ein Comic-Redakteur muss 1961 zusehen, wie in,,Sam's Strip", der nach ihm benannt ist und ihn als Hauptfigur zeigt, General de Gaulle durch eben dieses Weiß Richtung Leitartikel trottet (77). Derartige,,Metacomics" sind zwar, Christian A. Bachmann zufolge,,,sehr spezielle, im wörtlichen Sinne außergewöhnliche Comics, die einer marginalen Gruppe angehören, doch indem sie die Regeln sichtbar machen, […] erlauben [sie] es umso leichter, einen Blick auf übergreifende mediale Spezifika der Comics zu werfen" (38). Entsprechend liegen bereits scharfsinnige Einzeluntersuchungen zu Metacomics vor, von denen sich Bachmanns Dissertationsschrift jedoch in doppelter Hinsicht abhebt: Erstens präsentiert sie drei Gruppen von Metacomics als Beispiele für je eine bestimmte Entwicklungsstufe des Comics als Printmedium - Zeitungscomic, Comicheft, Comicbuch - im nordamerikanischen Kulturraum. Zweitens analysiert sie speziell solche Beispiele, die nicht nur ihre oberflächlichen',,mediale[n] Spezifika" (z. B. Panelränder und -hintergründe),,sichtbar machen" oder ihren medialen Kontext (z. B. Zeitungs-Leitartikel) thematisieren, sondern auch ihre,,Materialität":,,Eine Leitfrage bei der Analyse der Werke muss also lauten, welche spezifischen Interdependenzen von Trägermedium und Comic gibt es und welche semantischen Potenziale bergen sie?" (55)

Diese Leitfrage führt im zweiten,,,Metazeitungscomics" gewidmeten Kapitel allerdings nicht weit: Der Schnitt von Ignatz Mouse wird als Strich auf dem Papier simuliert, nicht als tatsächlicher Schnitt realisiert, wäre dies doch für eine Tagesszeitung ein immenser Aufwand gewesen. Doch abgesehen vom Aspekt der,,Materialität" ist erstaunlich, wie einfallsreich schon frühe Zeitungscomics,,Metaisierung" einsetzten. Dennoch handelt der auf,,Materialität" spezialisierte Bachmann diesen Aspekt vergleichsweise kurz ab, um sich Art Spiegelmans Serie In the Shadows of No Towers [End Page 715] zuzuwenden, die 2002 bis 2004 v.a. in der Zeit und 2004 bei Viking (New York) als Buch erschien. Im Anschluss an Henry Jenkins arbeitet Bachmann heraus, dass Spie-gelman hier unter dem Eindruck von 9/11 die Fragilität der scheinbar beständigen Architektur kontrastiert mit dem Weiterleben von scheinbar tagesgebundenen Zeitungscomics. Allerdings:,,Unterstellt man, dass Spiegelman […] auf Medientreue [sic] Wiedergabe der Zeitungen abstellt, ist der Versuch auf gewisse Weise […] gescheitert", weil er sich in der Buchausgabe statt für leicht zersetzbares Zeitungspapier,,für etwa einen Millimeter starke Pappe, wie sie aus manchen Kinderbüchern vertraut ist", entscheidet (81). Aber wieso sollte man es unterstellen?

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit,,Metacomicheften", beginnend mit John Byrnes von 1989 bis 1994 bei Marvel erschienenem, stark parodistischem Superheldinnen-Comic The Sensational She-Hulk. Bachmann zeigt, wie einfallsreich Metaisierung hier eingesetzt wird, sieht allerdings wiederum zwei Mängel: Zum einen springt die She-Hulk zwar einmal durch eine Seite hindurch auf eine scheinbar dahinter liegende fingierte Werbeseite, doch wird weder hier das Papier tatsächlich aufgerissen noch anderswo,,Materialität" konkret ausgestellt (101f.). Zum anderen verfolgt Byrne eine Strategie,,,die, obschon sie Comic-kritische Lesarten zulässt, im Wesentlichen auf humoristische Effekte zielt" (106). Ganz anders Destroy!!, eine 1986 erschienene Superheldenparodie von Scott McCloud, die nicht nur inhaltlich mit,,32 pages of meaningless, overblown violence, mayhem and destruction! (Plus one Naughty Word)" aufwartet (zit. n. 109), sondern auch mit einem Heftformat, das die Norm um mehr als das Doppelte übersteigt. Zum Abschluss des dritten Kapitels führt Bachmann die Kategorie der,,Metacomicheftbücher" ein (115), vertreten durch Brian Fies' Whatever Happened to the World of Tomorrow? von 2009. Fies' Comicbuch erzählt die Geschichte eines kleinen Jungen, der während des,,Wettlaufs im All" groß wird, sowie seines Vaters und spiegelt sie in Comicheften über einen kindlichen und einen erwachsenen Weltraum-Helden. Diese Hefte werden durch die Verwendung verschiedener Papiersorten von der Rahmenerzählung abgesetzt und ihrer jeweiligen Entstehungszeit angepasst...

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