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  • Wilde Moderne. Der Bildhauer Fritz Behn (1878–1970) von Joachim Zeller
  • Sabine Wilke
Wilde Moderne. Der Bildhauer Fritz Behn (1878–1970).
Von Joachim Zeller. Berlin: Nicolai, 2016. 215Seiten. €39,95.

Der promovierte Historiker Joachim Zeller hat sich mit seinen Arbeiten zur deutschen Kolonialgeschichte und zum Postkolonialismus, besonders seinen Forschungen zu [End Page 496] Kolonialdenkmälern sowie auch der Kolonialmetropole Berlin, in verschiedenen Büchern und Schriften einen Namen gemacht. Seine Arbeiten bestechen dabei durch akribische Forschung und effektiv zusammengestelltes Text- und Bildmaterial wie auch durch die klare Sprache, in der das historische Material vorgetragen wird. Mit diesem Band widmet sich Zeller dem Leben und Arbeiten des Bildhauers Fritz Behn, dem aus Lübeck stammenden, aber in erster Linie in München wirkenden Künstler der konservativen frühen Moderne, dessen Gesamtwerk bis heute in seiner Komplexität noch nicht ausreichend erfasst ist. Dabei setzt sich Zeller ganz direkt und kritisch mit zwei Fragen auseinander: War Behn ein ,,Nazi-Bildhauer“ und inwiefern war er ein künstlerischer Pionier des deutschen Kolonialgedankens? Die Antwort ist eine vielschichtige, akribisch recherchierte Retrospektive, die Behn in seiner künstlerischen Individualität als exzentrischen Außenseiter mit genuin eigenem Stilwollen in die frühe Moderne einreiht und dessen Leistungen vor allem für die Entwicklung der Tierplastik würdigt.

Der Band ist, wie die meisten Retrospektiven, chronologisch angelegt und folgt Behn von seiner Kindheit und Jugend durch die verschiedenen Lebens- und Schaffensetappen – das Studium in München, die zwei ersten Afrikaaufenthalte, Behns Begeisterung für den Kolonialgedanken, der Rückzug auf das Landhaus, der zweijährige Aufenthalt in Argentinien, die Rückkehr nach München, die dritte Afrikareise, die Professur an der Kunstakademie Wien und die letzten Jahre des Pendelns zwischen Jagdhütte und München – bis zu seinem Tod und sogar darüber hinaus, was die Frage von Behns Nachlass und dessen künstlerischer Wirkung anbelangt. Dabei kommen die Zeitgenossen, die Kunstkritik und auch Behn selbst oft zu Wort, ohne dass Zeller uns dabei seinen kritischen Kommentar vorenthält. Man erhält also in der Lektüre des Bandes durch die Stimmenvielfalt der Meinungen von und über Behn eine ausgewogene Einsicht in die Komplexität dieses Künstlers. Zudem trägt das reichhaltige Bildmaterial optisch dazu bei, dass sich die Leser ein schillerndes Bild von den Kunstwerken und ihrem Schaffens- und Wirkungskontext machen können. Zeller beherrscht auch die Sprache der Kunstkritik in seinen Beschreibungen der Materialität der Werke und ihrer Deutung. Ausführliche Anmerkungen, ein biographischer Abriss, eine Liste von Werken im öffentlichen Raum und in Museumssammlungen, ein Quellen- und Literaturverzeichnis, ein Verzeichnis der Bildquellen sowie ein Personenregister ermöglichen eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Künstler.

Ich möchte im Weiteren andeuten, warum die Beschäftigung mit Fritz Behn möglicherweise nicht nur für Kunsthistoriker oder Historiker des deutschen Kolonialismus interessant ist, sondern gerade auch für eine kulturwissenschaftlich arbeitende Germanistik interessante Aspekte liefern kann. Der Gedanke der ,,wilden“ Moderne ist dabei zentral. Zeller kann zeigen, dass Behn gerade als ,,Animalier“ auch von der Forschung gewürdigt wurde und er führt das auf Behns ,,sehr ausgeprägte Naturverbundenheit“ zurück (18). Diese Nähe zur Natur potenziert sich während der Afrika-Aufenthalte: ,,Die Weiten der Serengeti erscheinen als ,Wildkammer‘, enthistorisiert zu einer reinen Naturlandschaft“ (25). Die Darstellungen der Jagd verweisen auf ,,die Exklusivität der Großwildjagd als imperiale Inszenierung weißer Männlichkeit“ (25). Zeller kontextualisiert Behns Werke und Aussagen mit Interpretationen aus post-kolonialer Sicht und bezeichnet sie als rassistische Stereotypen, die einer elitären Grundeinstellung entstammen. Diese Kunst der Verwilderung steht dabei im Gegensatz [End Page 497] zur avantgardistischen Moderne, die von der Kunst des Exotischen fasziniert war, man denke etwa an Carl Einsteins ,,Negerplastik“.

Behns Tierwelt schreibt sich in einen ganz anderen Diskurs ein, der die Animalität der wilden Tiere verstehen und künstlerisch gestalten will, beispielsweise die Plastiken der beiden Leoparden, entstanden um 1910, die sich gerade durch übersteigerte Wildheit auszeichnen. Zeller beschreibt sie wie folgt: ,,Die Linie des kreisenden Schweifs findet ihre Fortsetzung im gekrümmten Rumpf und den Vorderläufen; die Energie der Großkatze entlädt sich schließlich im aufgerissenen Maul, das den Blick auf die Rei...

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