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  • Agenten der Öffentlichkeit. Theater und Medium im frühen 19. Jahrhundert ed. by Meike Wagner
  • Brigitte E. Jirku
Agenten der Öffentlichkeit. Theater und Medium im frühen 19. Jahrhundert. Herausgegeben von Meike Wagner. Bielefeld: Aisthesis, 2014. 267 Seiten + 3 farbige und 5 s/w Abbildungen. €34,80.

Der Band bietet die Resultate einer disziplinenübergreifenden Diskussion über die Phase des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs, von dem auch die künstlerischen und publizistischen Medien nicht unberührt blieben. Aufgezeigt werden die [End Page 149] Veränderungen vom aufklärerischen zum modernen Kommunikationssystem. Meike Wagner bezieht diese auf zwei spezifische Momente: „Zum einen die Genese des modernen Subjekts als Abstraktum […] zum anderen die expansive Medienentwicklung” (7), die Theater und Presse als politische Foren etabliert und die Öffentlichkeit neu definiert. Der Band belegt, wie die Medien an der Abstraktion des Menschen mitwirken, was einerseits zum Kontrollverlust und zur Abstrahierung des Menschen führt, zugleich aber eine Chance für mediale Neuimplementierungen bietet. Wie der Titel des Bandes Agenten derÖffentlichkeit unterstreicht, geht es darum, das Verhältnis zwischen Akteuren und verschiedenen Öffentlichkeitskonstellationen bzw. Diskursen zu erforschen. Theater und Presse nehmen hierbei eine zentrale Stelle ein, denn nicht nur Norbert Otto Ekes Beitrag sondern auch andere Aufsätze sehen das Theater als konstituierende Form einer performativen Öffentlichkeit. Politische Überwachung, von der u.a. die Zensurdebatten der Zeit zeugen, kann als weiteres wichtiges Indiz für die Bedeutung des Theaters und der Presse gelesen werden.

Der Band ist in drei Abschnitte mit insgesamt zehn Beiträgen unterteilt. Im Kapitel „Politisches Agens und Literatur” gehen die Beiträge von Norbert Eke, Christopher Balme und Christian Sinn auf die Konstituierung von Öffentlichkeit ein, sei es anhand der Abgrenzung zur Romantik (Eke), der Aktualität der Antike-Rezeption (Balme) oder einer Übergangsfigur wie Christoph Martin Wieland (Sinn). Untersucht wird, wie Konzepte der Aufklärung – und nicht diejenigen der „deutschsprachigen” Romantik – die Moderne einleiteten und definierten. Wolf-Dieter Ernst analysiert anhand der Kontroverse um die Einrichtung einer staatlichen Schauspielschule die einander widersprechenden oder zumindest divergierenden Thesen um die Wirkung von Sittlichkeit im Bereich der Öffentlichkeit und als Teil des pädagogischen Konzepts des Vormärzes.

Normierungen durch Erziehung und politisches Handeln, um eine Öffentlichkeit herzustellen, sind Gegenstand des zweiten Abschnitts „Theatrales Agieren, politisches Agieren“. Das Publikum, das in den letzten Jahren im Zuge der Diskussion um das postdramatische Theater immer mehr ins Zentrum gerückt ist, ist Gegenstand von Jan Lazardzigs Ausführungen um den „stillen“, d.h. disziplinierten Zuschauer. Der Sittenwert und die Kontrollfunktion des Theaters treten über den ökonomischen Wert, den es in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte. Lazardzig argumentiert überzeugend, wie im Meta-Theater der Frôhromantik die Konvergenz von ästhetischem und polizeilichem Regime thematisiert und in Frage gestellt wird. Ordnungssysteme werden neu strukturiert. Und anhand von Karl Ludwig Sands Attentat auf August von Kotzebue zeigt Kati Röttger die Beziehung von Theater und Politik und die politische Wirkung der Bühne in ihrer radikalsten Weise.

Auch im dritten Teil „Öffentlichkeit und journalistische Agenten” spielt das Theater bei der Diskussion der journalistischen Konzeptionen von öffentlicher Rede und Pressefreiheit im Vormärz eine zentrale Rolle. Alle drei Beiträge zeigen auf, wie das Theater zum Modell der Öffentlichkeit wurde und den politischen Raum im Vormärz mit veränderte. Der Zeitraum der Napoleonischen Kriege ist Gegenstand von Karen Hagemanns Ausführungen über die politische Presse im deutschsprachigen Raum. Besonders die patriotisch-nationale Presse hat Zensur und Meinungsäußerung zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung eingesetzt. Hagemann vertritt die These, dass die Periode der Napoleonischen Kriege einen Ausnahmezustand bezüglich Literaturmarkt und Pressefreiheit darstellte. [End Page 150]

Minutiös recherchiert und dargestellt sind von Hannelore Putz das Scheitern der Zensurverordnung König Ludwigs I. von Bayern sowie die Durchsetzungskraft einer politischen Öffentlichkeit. Meike Wagner geht in ihrem Beitrag, der ein Ausschnitt ihrer Habilitationsschrift (Berlin 2013) ist, auf den Zeitungskrieg und Theaterskandal im Berlin der 1820er Jahre ein. Hierbei geht es um „die Idee von Kommunikation als regulierendes System von öffentlichen Stimmen und Positionierungen” (217) in den Theaterkritiken der Zeit. Diese können sich als wichtiges Medium des öffentlichen Urteils etablieren, wofür die Figur des Journalisten und Satirikers Moritz Gottlieb Saphir und seine...

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