In lieu of an abstract, here is a brief excerpt of the content:

Reviewed by:
  • Jews and the Making of Modern German Theatre ed. by Jeanette R. Malkin and Freddie Rokkem
  • Miriam Drewes (bio)
Jeanette R. Malkin/Freddie Rokkem (Eds.). Jews and the Making of Modern German Theatre. Iowa City: University of Iowa Press, 2010, 304Seiten.

Als im Juli 2010 während des XVI. Weltkongresses der International Federation for Theatre Research (IFTR) die Buchpräsentation von Jews and the Making of Modern German Theatre stattfand, war der Hörsaal der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Bersten voll. In der Tat verdient das Vorhaben der Herausgeber Jeanette R. Malkin und Freddie Rokkem, die Rolle von Juden und Nicht-Juden an der Entwicklung eines modernen deutschen Theaters in den Jahren 1871 bis 1933 zu beleuchten, besondere Aufmerksamkeit. Die Beiträge des Bandes halten sich von gesellschaftlichen, historischen und wissenschaftlichen Stereotypen weitgehend fern und öffnen zugleich neue Perspektiven auf das Thema: Dazu gehört die Betrachtung der Zeit vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten ebenso, wie die Korrektur der These von der Mitgestalterrolle der Juden an der deutschen Kultur („contribution history“, S. 3), bis hin zum Verständnis von der jüdischen Bevölkerung als Teil der gesellschaftlichen Gesamtstruktur („part of its fabric“, S. 3). Wichtig zu erwähnen ist zudem, dass es den Herausgebern mit diesem Band erstmals gelungen ist, interkulturelle Perspektiven in einem Sammelband zu vereinen.

Tatsächlich bestätigt die Vielzahl der Aufsätze mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten und den vielfältigen Zugangsweisen zu diesem Thema nicht nur die (in sich) widersprüchliche Situation jüdischer bzw. nicht-jüdischer Theatermacher im deutschsprachigen Raum, insbesondere in Deutschland und Österreich, die jegliche monokausale Deutung verbietet. Die Breite der Ansätze und Perspektiven vermittelt zudem neue Erkenntnisse über die vielfältigen Verbindungslinien zwischen Juden und Nicht-Juden auf dem Theater sowie deren Wirkung und Rückkoppelungseffekte vom Theater in gesellschaftliche und politische Kontexte. Das Theater als Ort ästhetischer, kultureller, intellektueller und politischer Sinnkonstitution, aber auch als Produktionsstätte mit spezifischen Organisationsstrukturen, vermag auf ganz besondere Weise das komplexe Problem jüdischer Identitätsbildung zu veranschaulichen, was auch an der theatralen Ausdrucksform vom Verstecken und Zeigen, von der Maskerade eines (vermeintlich) Authentischen oder an der flexiblen Binarität von Präsenz und Repräsentation liegen mag.

Diese Vielfalt zu vermitteln, versucht beispielsweise der Aufsatz von Anat Feinberg, der überzeugend darlegt, dass das Interesse von Juden am Theater, bei den Machern wie beim Publikum, im Wilhelminismus zwar durchaus auch der Rezeption des bildungsbürgerlichen Kanons, der Texte Lessings, Goethes und Schillers geschuldet war. Vor allem aber seien das Praktizieren von Theater im privaten Familien- und Freundeskreis–wie etwa die Erinnerungen von Sammy Gronemann, Sohn des Hannoverschen Rabbis, zeigen–oder auch die theatrale Komponente religiöser Riten Ursachen für ebenso frühkindliche wie intensive Theatererfahrungen gewesen, die wiederum nicht selten in Berufen mündeten, die mehr oder weniger eng mit dem Theater zu tun hatten.

Die Annahme von der Assimilation an ein deutsches Bildungsbürgertum relativiert auch Peter Jelavich, der zwar, wie Feinberg, zugibt, dass vor allem die ethischen Konzepte der deutschen Aufklärung, wie Offenheit, Toleranz und damit auch Pluralität, viele Juden im deutsch-sprachigen Raum begeistert hätten und weniger die Anpassung an eine (vermeintlich) homogene Vorstellung einer deutschen Kulturnation. Dies verdeutliche die Entwicklung einer pluralen Theaterkultur der so unterschiedlich orientierten Theatermacher Otto Brahm und Max Reinhardt. Deren Ästhetiken wiederum belegten, dass von einer spezifisch jüdischen Ausdruckskultur schlichtweg nicht zu sprechen sei, sondern allen-falls von einem hohen Maß an Sensibilisierung [End Page 116] und Offenheit für unterschiedliche Theaterinhalte wie Theaterästhetiken, befördert durch die den Juden zugewiesene Außenseiterposition.

Eine analoge Vielfalt ist zudem im jiddischen Theater anzutreffen, wie Delphine Bechtel ausführt. Das jiddische Theater, selbst in hochkulturelles Theater und Unterhaltungstheater unterteilt, aber häufig als Theater der Unterprivilegierten wahrgenommen, sei in Wahrheit ein Ort der Versammlung unterschiedlichster kultureller Stile und Sprachen gewesen. Das Theater sei eine Möglichkeit, ein Hybrid an (Sprach- und Sprech-) Stilen nicht nur zu präsentieren, sondern auch zu inszenieren, und werde damit zum bewussten Verhandlungsort einer Vielzahl von Stimmen, das es ermögliche, die ironische Brechung vorgefertigter Haltungen auch innerhalb der jüdischen Gemeinschaft vorzuführen.

Dass die Vielzahl dieser Stimmen keineswegs...

pdf

Share