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  • Namibia and Germany: Negotiating the Past by Reinhart Kössler
  • Joachim Zeller
Namibia and Germany: Negotiating the Past.
By Reinhart Kössler. Windhoek: University of Namibia Press and Münster: Westfälisches Dampfboot, 2015. xiii + 377 pages + many b/w and color illustrations. $42.00 / €39,90.

Zwischen Namibia und Deutschland bestehen als Folge ihrer „geteilten“ Geschichte seit jeher besondere Beziehungen. Das erst 1990 unabhängig gewordene Namibia war einst eine Kolonie des wilhelminischen Kaiserreichs und trug den Namen „Deutsch-Südwestafrika“. Das Verhältnis beider Länder ist vor allem auch geprägt und belastet durch den Völkermord, den das Deutsche Reich während des Kolonialkrieges von 1904 bis 1908 an den Herero und Nama verübte. Der Genozid – der erste im 20. Jahrhundert – ist bis heute Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Kontroverse Debatten prägen die Geschichts- und Kulturwissenschaften, wo auf bilateraler und zivilgesellschaftlicher Ebene über einen angemessenen Umgang mit dem kolonialen Erbe gestritten und verhandelt wird.

Namibia and Germany: Negotiating the Past arbeitet das komplexe Feld post-kolonialer Erinnerungskultur hüben und drüben auf. Der Autor, kürzlich emeritierter Hochschullehrer und bis 2015 Direktor des Arnold Bergstraesser-Instituts in Freiburg, ist bereits mit zahlreichen einschlägigen Arbeiten zum Thema hervorgetreten. In seinem Buch interessiert er sich vor allem für die (Kolonial-)Geschichte als Politikum. Im ersten Kapitel, überschrieben mit „Die Bürde der Geschichte“, lässt er zunächst das koloniale Jahrhundert Namibias Revue passieren. Abgesehen von der deutschen Kolonialherrschaft gehört dazu die nachfolgende, sieben Jahrzehnte währende Fremdherrschaft des weißen Minderheitsregimes in Pretoria mit seiner Rassen- und Apart-heidpolitik. Dies schließt den antikolonialen Widerstand gegen die Deutschen ein bis [End Page 436] hin zu dem Kampf der namibischen Befreiungsbewegungen – an vorderster Stelle die SWAPO – gegen das südafrikanische Apartheidregime. Des Weiteren referiert Kössler die Diskussionen um den namibischen Kolonialkrieg, darunter die Stimmen von einheimischen deutschsprachigen „Hobbyhistorikern“. Ihnen attestiert er das Festhalten an einem überholten Südwester-Geschichtsbild, bis hin zu einer faktischen Leugnung des Völkermordes. Ist letzteres keineswegs nur aus rechtsradikalen Kreisen zu vernehmen, so findet sich auch in den Leserbriefspalten der in Windhoek erscheinenden deutschsprachigen Allgemeinen Zeitung solcherart Geschichtsklitterung zuhauf, von der ungebrochenen Kolonialapologetik kolonialer Traditionsverbände ganz zu schweigen.

In der internationalen, komparativ angelegten Genozid- und Gewaltforschung wird dagegen die Grundsatzfrage erörtert, ob von strukturellen Parallelen oder von diskursiven Kontinuitäten zwischen dem ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts und dem Holocaust während des Zweiten Weltkrieges auszugehen sei. Am Beispiel des Windhoeker Reiterdenkmals zeigt Kössler die Veränderungen der Gedenkkultur im öffentlichen Raum auf. Der von staatlicher Seite angeordnete Denkmalsturz des umstrittenen Monuments, des bekanntesten deutschen Kolonialdenkmals des Landes, hatte 2009/2010 und 2013 für Aufsehen gesorgt. Anstelle des Reiterdenkmals ließ die Regierungspartei SWAPO – von nordkoreanischen Firmen – ein Unabhängigkeits-museum, ein Denkmal des namibischen Gründungspräsidenten Sam Nujoma und ein Genozid-Denkmal errichten. Diese neuen Herrschaftsmale sind, so Kössler, vor allem eines: Propaganda für die – freilich demokratisch legitimierte – Alleinherrschaft der SWAPO. Wie sehr sich die in erster Linie vom Völkermord betroffenen Herero und Nama durch das neue Genozid-Denkmal ihrer historischen Erfahrung und damit ihrer Geschichte enteignet fühlen, zeigte die Ablehnung einer Initiative, die vorsah, eine weitere, speziell sie beim Namen nennende Plakette an dem neuen Genozid-Denkmal hinzuzufügen. Mitte des Jahres 2014 war eine entsprechende Anfrage im Windhoeker Parlament abgelehnt worden.

Mit Blick auf das im Zuge des Ersten Weltkrieges zwangsweise dekolonisierte Deutschland stellt der Autor eine zum Teil bis in die Gegenwart anhaltende post-koloniale Amnesie fest. Dies trifft für den Kolonialrevisionismus der Jahre zwischen den Weltkriegen zu wie für die ersten Jahrzehnte nach 1945, als in den beiden deutschen Staaten – auf sehr unterschiedliche Weise – die mit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft verbundene kollektive Erinnerungsarbeit den beherrschenden geschichtskulturellen Gegenstand darstellte. Erst in den späten 1980er Jahren setzte eine breitere Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte ein. Nicht staatliche Stellen, sondern zivilgesellschaftliche Gruppen – etwa Anti-Apartheidgruppen – engagierten sich für die Dekolonisierung des öffentlichen Raumes, stießen die Umbenennung von kolonialen Straßennamen oder die Umwidmung von Kolonialdenkmälern an.

Das zweite Kapitel des Buches dreht sich um die Akteure im heutigen Namibia. Gekennzeichnet ist...

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