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  • Für Ruhe und Ordnung. Einsätze des Militärs im Innern (1820–1918). Preußen—Westfalen—Rheinprovinz by Michael P. Vollert
  • Christoph Nübel
Für Ruhe und Ordnung. Einsätze des Militärs im Innern (1820–1918). Preußen—Westfalen—Rheinprovinz. By Michael P. Vollert. Bonn: Dietz, 2014. Pp. 223. Paper €18.00. ISBN 978-3801204495.

Während des “langen 19. Jahrhunderts” war es in Europa ein gebräuchliches Mittel, den staatlichen Herrschaftsanspruch mit dem Einsatz des Militärs durchzusetzen—auch [End Page 387] im Innern. Bei größeren Unruhen blieb das Militär eine notwendige Wahl, weil Polizei und Gendarmerie zu schwach waren. Das Militär dagegen war diszipliniert, hoch mobil, schwer bewaffnet und in großer Personalstärke vorhanden. Während Staaten wie Großbritannien zurückhaltend blieben, wenn es zur Entsendung von Militär kam, setzte Preußen bei Unruhen auf die massive Präsenz der bewaffneten Macht. Dieses Thema greift der Band auf.

Zunächst werden grundlegend die Unterschiede zwischen Militär, Polizeien und Bürgerwehren erläutert, um dann anhand von Fallbeispielen die Bandbreite der Militäreinsätze zwischen 1820 und 1918 aufzuzeigen. Abschließend finden sich Ausführungen zum Staatsstreichgedanken im Kaiserreich und über rechtliche Grundlagen des militärischen Eingreifens in innenpolitischen Fragen. Der so abgesteckte Rahmen umfasst zahlreiche zentrale historische Fragen der Epoche: soziale Probleme in der Industrialisierung, die loyale oder kritische Einstellung der Bevölkerung, das Militär als sichtbarer Akteur zwischen Staat und Gesellschaft oder die Frage, ob die Menschen aus der Perspektive von Politik und Militär eher als Untertanen oder als Staatsbürger galten. Letztlich wird keines der angesprochenen Probleme systematisch behandelt, sondern es findet eine Reihe von Fallbeispielen aus Preußen und anderswo ihre ereignisgeschichtliche Darstellung. Das ist bedauerlich, denn der Ansatz, die Einsätze der bewaffneten Macht aus militärgeschichtlicher Perspektive zu beleuchten, hat durchaus Erkenntnispotenzial. Welche mentalen Voraussetzungen bei Zivil- und Militärbehörden strukturierten die Einsätze? Welche Faktoren wirkten gewalteskalierend, welche gewalthemmend? Welche Unterschiede gab es beim Vorgehen gegen Hungerunruhen, Streiks oder gar Revolutionen? All diese Fragen rücken in der gewählten Darstellungsweise in den Hintergrund. Gleichwohl finden sich zahlreiche erhellende Hinweise, etwa dass der für das Eingreifen zentrale Terminus “Ruhe und Ordnung” nicht klar definiert war, es keine Ausbildung für den Einsatz im Innern gab und dass Teile des Bürgertums die militärische Absicherung ihres Besitzes durchaus begrüßten.

Die sich bei der Lektüre aufdrängende Frage, weshalb Militäreinsätze im Innern um 1900 seltener wurden, bleibt indes unbeantwortet. Hinweise auf diese und andere Aspekte hätten die Arbeiten Jürgen Angelows (Von Wien nach Königgrätz, 1996), Alf Lüdtkes (“Gemeinwohl,” Polizei und “Festungspraxis,” 1982), Bernhard Sickens (“Der Kölner Kirmestumult,” in Politische Gewalt in der Moderne, 2003) oder Wolfram Siemanns (Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1985) geliefert, die einschlägig sind, aber sämtlich nicht herangezogen wurden. Insgesamt ist so ein Buch entstanden, das dem interessierten Leser die Vorgänge vor Augen führt, aber aus wissenschaftlicher Perspektive empfindliche Lücken aufweist. [End Page 388]

Christoph Nübel
Humboldt University Berlin
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