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  • Krank geschrieben. Gesundheit und Krankheit im Diskursfeld von Literatur, Geschlecht und Medizin hrsg. von Rudolf Käser und Beate Schappach, and: Leibesvisitationen. Der Körper als mediales Politikum in den (post)sozialistischen Kulturen und Literaturen hrsg. von Torsten Erdbrügger und Stephan Krause
  • Sonja E. Klocke
Krank geschrieben. Gesundheit und Krankheit im Diskursfeld von Literatur, Geschlecht und Medizin.
Herausgegeben von Rudolf Käser und Beate Schappach. Bielefeld: transcript, 2014. 430 Seiten. €32,99.
Leibesvisitationen. Der Körper als mediales Politikum in den (post)sozialistischen Kulturen und Literaturen.
Herausgegeben von Torsten Erdbrügger und Stephan Krause. Heidelberg: Winter, 2014. 450 Seiten. €55,00.

Beide hier besprochenen Sammelbände widmen sich der Bedeutung und Funktion von Literatur, Film und Kunst in der Auseinandersetzung um (pathologische) Körper in spezifischen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten. Während Rudolf Käsers und Beate Schappachs Krank geschrieben den Umgang mit Krankheit und Sterben in literarischen Texten vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart erforscht, kündigt der Titel von Torsten Erdbrüggers und Stephan Krauses Leibesvisitationen explizit die Behandlung der Rolle des Körpers in den (post)sozialistischen Kulturen und Literaturen an.

Käsers und Schappachs exzellenter Band, der sich dem Thema „krank schreiben“ in seinen vielfältigen Bedeutungen widmet, fußt auf der Tagung „Krank geschrieben. Rhetoriken im Diskursfeld von Literatur, Geschlecht und Medizin“, die im November 2009 als Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften (SGKW) am Collegium Helveticum der Universität und ETH Zürich vom Arbeitskreis „Literature – Medicine – Gender“ durchgeführt wurde. Krank geschrieben startet mit einer umfangreichen Einleitung, in der Käser die theoretischen und methodologischen Ansätze umreißt, die in den folgenden, die Interdiskurse von Literatur und Medizin analysierenden Beiträgen von Bedeutung sind. Diese Ansätze reichen von einer auf Susan Sontag aufbauenden Metaphernkritik, einer Kritik an einer hermeneutischen Methode, die idealistische, universalistische und logozentrische Positionen tradiert, und einer von Michel Foucault geprägten Diskursanalyse bis hin zu textanalytischen Methoden der Mikroanalyse, die wirkungsästhetisch oder auch inhaltsanalytisch vorgehen und den semantischen Gehalt der Texte in den Fokus der Untersuchung rücken können. Ferner stellt Käser Ansätze aus der Soziologie und der Sozialgeschichte des Medizinalwesens ebenso vor wie den symbolischen Interaktionismus, Kulturkritik, Gender Analysis und Systemtheorie. Auf diesem Fundament widmen sich die Beiträge in Krank geschrieben der einleitend formulierten Leitfrage: „Wie und mit welcher Wirkung stellt Literatur die kulturspezifisch geprägte Erfahrung von Krankheit und Tod dar?“ (15). Der sich dadurch ergebende Leitfaden, der nach der in der Literatur zutage tretenden kulturellen Bedeutung der Medizin und nach der Funktion von Literatur für den gesellschaftlichen Umgang mit dem Pathologischen fragt, vermag es, die Analysen unterschiedlichster Texte – das Spektrum reicht von literarischen Werken des 18. Jahrhunderts bis zu TV-Dokumentationen und Boulevardzeitungen – gewinnbringend zu vereinen.

Käsers Einleitung schließen sich vier Abschnitte an, die entlang der kulturell hervorgebrachten Differenzpaare „gesund/krank“ und „männlich/weiblich“ organisiert sind. In exemplarischen Studien verhandelt der erste Teil soziale Konstruktionen weiblicher und männlicher Identitäten in literarischen Texten. Unter den Aufsätzen von Susanne Balmer, Rahel Leibacher, Rudolf Käser, Gaby Pailer, Gabriela Schenk [End Page 158] und Virginia Pinto, die in ihrer Gesamtheit einen Einblick in historische Kontinuitäten und Diskontinuitäten bezüglich der kulturellen Konstruktion der Geschlechterdifferenz vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart bieten, treten insbesondere Leibachers „Männliche und weibliche Lesesucht“ und Käsers „Die jungen Herren weiß und roth“ hervor. Auf einem systemtheoretischen Ansatz aufbauend legt Leibacher eindrücklich dar, mit welchen unterschiedlichen Strategien das Erziehungssystem, das Medizinsystem und das Literatursystem Einfluss auf die gesellschaftlich akzeptierten Effekte des Romanlesens im 18. Jahrhundert ausübten. Käsers diskurshistorisch kontextualisierende Analyse von J.M.R. Lenz’ Der Hofmeister interpretiert das Drama im Kontext damaliger medizinischer, juristischer und moraltheologischer Auffassungen innovativ. Er verdeutlicht, dass das Revolutionäre im Hofmeister nicht auf der inhaltlichen Ebene zu finden ist, sondern in der schockierenden Darstellung.

Unter der Kapitelüberschrift „Einschlüsse und Ausschlüsse“ konzentrieren sich die im zweiten Abschnitt versammelten Beiträge von Martin Stingelin, Lotti Wüst und Dave Schläpfer auf Gesten des Zugriffs institutionalisierter Diskurse auf Individuen, die von ihrem sozialen Umfeld pathologisiert und infolge dessen gesellschaftlich mächtigen Kräften zur...

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