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  • Vom Dolmetschen im Mittelalter. Sprachliche Vermittlung in weltlichen und kirchlichen Zusammenhängen by Reinhard Schneider
  • Seraina Plotke
Vom Dolmetschen im Mittelalter. Sprachliche Vermittlung in weltlichen und kirchlichen Zusammenhängen. Von Reinhard Schneider. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2012. 194 Seiten + 5 s/w Abbildungen. €29,90.

Dolmetscher sind aus dem heutigen politischen Betrieb in Europa nicht wegzudenken: Sie gehören notwendigerweise zur Interaktion der verschiedenen Staatschefs, zu den Debatten des Europarats oder zum Europäischen Parlament in Brüssel. Auch im europäischen Mittelalter fanden Treffen von Fürsten und Königen statt, machten herrschaftspolitische Unterredungen und sonstige Kommunikationssituationen es nötig, dass Menschen unterschiedlicher Muttersprache zur Verständigung kamen. Wie eine solche Verständigung ermöglicht wurde, diesem Problemkomplex widmet sich die Untersuchung von Reinhard Schneider, der bereits in der Einleitung um Nachsicht dafür bittet, dass er mitunter auf Bereiche ausgreift, ,,die jenseits der Fachkompetenz des Historikers liegen“ (9).

Auch wenn Schneiders Fokus nach eigener Aussage auf der Person des Sprachvermittlers liegt, konzentriert sich ein grosser Teil seiner Studie auf die allgemeinere Frage nach Fremdsprachenkenntnissen im Mittelalter. Als gliedernde Parameter dienen die zeitliche Unterteilung (wobei Spätantike und Frühmittelalter einerseits, Hochund Spätmittelalter andererseits je als Block genommen werden), die Differenzierung von weltlichen und kirchlichen Zusammenhängen sowie die Unterscheidung von hochadligen Kommunikationssituationen gegenüber allgemeineren Begegnungen von Personen verschiedener Herkunft. Bedingt durch diese diversen Akzentuierungen kommt es in den einzelnen Kapiteln mehrfach zu inhaltlichen Überschneidungen, so dass das Thema des Dolmetschens insgesamt eher umkreist als systematisch beleuchtet wird, was jedoch, wie der Autor wiederholt betont, vor allem auch an der dürftigen Quellenlage liegt.

Zum Auftakt der Untersuchung wendet sich Schneider der Frage nach dem Stellenwert des Lateins als allgemeiner Verkehrssprache zu und kommt zum Schluss, dass man diesen nicht überschätzen sollte, da diverse Belege darauf hindeuten, dass die aktive Sprachbeherrschung im Allgemeinen eher gering war. Da der Einsatz von Dolmetschern von den Fremdsprachenkenntnissen der Betroffenen abhing, widmen [End Page 483] sich mehrere Kapitel der Frage, welche Bildung einerseits in den weltlichen Herrschaftsbereichen, andererseits in klerikalen Kontexten zu erwarten war. In einem weiteren Schritt wird erörtert, in welchen Zusammenhängen überhaupt Fremdsprachen erlernt werden konnten, wobei Schneider verschiedene Dimensionen beleuchtet, einerseits spezifische Gebiete wie das Ordensland Preußen oder den Orient fokussiert, andererseits die städtischen Verhältnisse und die Universitäten berücksichtigt. Erst die zweite Hälfte des Bands beschäftigt sich mit den Dolmetschern im engeren Sinn und fragt nach den Rahmenbedingungen, welche für die Sprachvermittler galten. Dabei kommen Aspekte des Anforderungsprofils, der Ausbildung, der Belohnung und Besoldung, der Herkunft und der sozialen Stellung in den Blick. Zu guter Letzt richtet die Untersuchung ihr Augenmerk auf mittelalterliche Bildzeugnisse von Dolmetschern.

Schneiders Studie greift ein beachtenswertes Thema auf, kämpft jedoch mit der Problematik, dass die Quellen offenkundig sehr wenig zur Beantwortung der wichtigsten Gesichtspunkte des Dolmetschens hergeben. So bietet der Band zwar eine reiche Sammlung an punktuellen Fundstellen zu Aspekten der mittelalterlichen Sprachvermittlung, bleibt aber über weite Strecken ohne Substanz. Vielfach scheint die Aneinanderreihung der Belege sprunghaft; gern erführe man mehr über die Kontexte, denen die einzelnen Argumente entnommen sind. Bei der Behandlung spezifischer Sachverhalte gibt es öfters Wiederholungen; ebenso wird, quasi aus Mangel an Beweisen, auf Problemstellungen ausgegriffen, die das Thema nur mittelbar betreffen. Alles in allem gewinnt man den Eindruck, dass letztlich über das Dolmetschen im Mittelalter wenig Konkretes zu erfahren ist.

Seraina Plotke
Universität Basel
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