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Reviewed by:
  • Turkish Berlin: Integration Policy & Urban Space by Annika Marlen Hinze
  • Ina Dietzsch
Turkish Berlin: Integration Policy & Urban Space. By Annika Marlen Hinze. Minneapolis: University of Minnesota Press, 2013. Pp. xxvii + 201. Paper $25.00. ISBN 978-0816678150.

Berlin verändert sich täglich. Urbane Trends von Diversifizierung und Aufwertung gehen dabei, wie in anderen europäischen Städten, mit Debatten um die “Integration” von Zuwanderern einher. Das politikwissenschaftliche Buch von Annika Hinze ist in diesem Kontext eine ethnografische Studie darüber, wie Integration in Berlin im Bezug auf türkische Einwanderer diskutiert und gelebt wird. Es beginnt mit der nationalstaatlichen Geschichte der Einwanderung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zu einem Integrationsdiskurs, der sich erst seit einigen Jahren in Deutschland gegenüber einer auf Assimilation orientierten Haltung durchsetzt. Vor dem Hintergrund dieser historischen Einbettung versteht die Autorin türkisches Leben in Berlin auf der symbolischen Ebene als einen Angriff (contestation) auf ein homogenes Selbstverständnis der Deutschen. Der ethnografischer Zugriff erlaubt ihr eine multiperspektivische Darstellung wie dies genau geschieht. Es kommen verschiedene Akteure zu Wort. Zum einen stellt die Autorin auf der politischen Ebene das in Parteiprogrammen festgeschriebene Bekenntnis aller Parteien zur Integrationspolitik in ein Spannungsverhältnis zu den individuellen Erfahrungen jener politischen Akteure, die diese Programmatiken in die Praxis umzusetzen. Das Bekenntnis zur Integration unterscheidet sich je nach politischem Lager darin, wo die Verantwortung für eine erfolgreiche Integration gesehen wird. Im informellen Kontext der politischen Akteure zweier Berliner Stadtquartiere—Kreuzberg und Neukölln—trifft Hinze jedoch auf den bekannten lokalpolitischen Effekt, dass die erfahrungsgesättigten Ansichten aus der Praxis pragmatisch an lokalen Erfordernissen orientiert sind und sich damit wesentlich weniger deutlich unterscheiden.

Auf der individuellen Ebene der Bewohnerinnen werden die diskursiven Verhandlungen schließlich mit der gelebten Integration einer Auswahl türkischer Migrantinnen im Kiez ins Verhältnis gesetzt, deren Lebens-und Migrationsgeschichten sehr differieren. Die Beschränkung auf biografische Erzählungen von Frauen wird feministisch-theoretisch damit begründet, dass symbolische Kämpfe in der Regel über [End Page 470] Frauenfiguren ausgetragen werden. Diese Begründung überzeugt nur bedingt. Die Befunde werden leider nicht wieder auf die Männlichkeiten zurückgeschlossen, die als hegemonial und untergeordnet verhandelt werden, wenn in der Diskriminierung von Frauen als Türkinnen oder Kopftuchträgerinnen Ehrenmorde und Zwangsheiraten ins Feld geführt werden. Die Geschichten der Frauen verdeutlichen jedoch, dass die Heterogenität ihrer sozialen und regionalen Herkunft, auch im Bezug auf ländlich und urban, Bildung und Migrationsgeschichten, in der Wahrnehmung einer großen Öffentlichkeit eher zu einem homogenen Bild von “Türken” verschmelzen. Wohingegen Hautfarbe, Akzent und Name als deutlich sichtbare und hörbare Differenzmarker erscheinen und die größeren Barrieren für Chancengleichheit darstellen.

Sichtbarkeit von Differenz, so die Autorin—man müsste hier Hörbarkeit ergänzen—spielt für die Herausforderung des Selbstverständnisses einer homogenen deutschen Bevölkerung eine besonders große Rolle. In einer Hierarchie der “Anderen,” in der Exotismus und Ablehnung sich unterschiedlich mischen, erweist sich dabei die Zuschreibung “türkisch” als besonders hartnäckig und diskriminierend, wozu die oft selbstverständlich hergestellte Verbindung mit islamischer Religiosität und Nicht-Europäisch-Sein maßgeblich beiträgt. Dies hat widersprüchliche Auswirkungen: Einerseits werden auch diejenigen benachteiligt, die bereit und fähig sind, alles zu tun, was die Aufnahmegesellschaft von ihnen verlangt; andererseits schaffen es diejenigen mit einem helleren Hautteint, deutschen Namen oder akzentfreiem Deutsch als nicht-türkisch “durchzukommen,” so lange sie nicht ihre Herkunft offenbaren müssen (95–97). Das direkte Wohnumfeld eines Einwandererquartiers stellt dabei, so Hinze, einen Ort dar, an dem sich die Frauen, anders als in politischen Program-men vorgesehen, in die Mehrheitsgesellschaft integrieren. Sie tun dies in einem “Thirdspace,” in dem sie mit ihren spezifischen Differenzmarkern unter anderen “Anderen” tendenziell unsichtbarer werden: “it is precisely those visible immigrant neighborhoods in which Turkish immigrants can become invisible as individuals” (99). Zugleich wird allerdings der gesamte Stadtteil als Lebensort der “Anderen” “visible to the German majority population by means of clustering” (99).

Die Stärke der Arbeit besteht in der Multiperspektivität auf politische Prozesse, mit denen Integration bewirkt werden sollen. Auch die biografischen Interviews sind als Mittel zur Sichtbarmachung individueller Erfahrungen in einem spezifischen historischen...

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