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Reviewed by:
  • Goethe’s Visual World by Pamela Currie
  • Franz R. Kempf
Goethe’s Visual World. By Pamela Currie. London: Legenda, 2013. Pp. ix + 166. Cloth $89.50. ISBN 978-1907975899.

Filippo Möller, pittore—Goethe lebte in Rom unter einem Pseudonym, und als Maler. In den zwei Jahren seines Aufenthaltes schrieb er zwei Gedichte, überarbeitete bestehende Texte und beschäftigte sich ansonsten mit Malerei (als Betrachter und Theoretiker) und mit eigenem Zeichnen. Dabei standen ihm u.a. Tischbein und [End Page 416] vor allem der Schweizer Winckelmann-Schüler Johann Heinrich Meyer Pate (2–3). Goethe—der Augenmensch, das ist der rote Faden, der sich durch die vorliegende Sammlung von Aufsätzen zieht, die bis auf eine Ausnahme zwischen 1999 und 2011 erschienen sind.

In den ersten Kapiteln geht es um Goethes Verständnis der Rolle der Einbildungskraft als Vorstellungs- und Erkenntnisvermösgen, das ihn in die Nähe des “imagic turn” (7) in zeitgenössischen neurobiologischen und psychoanalytischen Theorien rückt. Im Mittelpunkt von Curries Diskussion stehen hier Paul Churchland und Lacan. Literarisch manifestiert sich das Okulare in Spiegelungen und Projektionen, aber auch in der zwischen Vorstellung und Wirklichkeit schwankenden Wahrnehmung. Das Projekt, das Goethe auf diese Weise besonders in seinen großen Romanen verfolgt, zielt laut Currie darauf ab, “to emerge from the mind, from the condition of taking one’s own mental products for reality. Instead of making a world of the self, he will make a self out of the world” (41).

Das Gros der Essays konzentriert sich auf Goethes Farbenlehre bzw. auf sein Farbideal in der Malerei. Auf dem Buchumschlag ist ein Ausschnitt des Deckenfreskos von Pietro da Cortona im Palazzo Barberini in Rom abgebildet. Es handelt sich dabei um die Figur der “Hoffnung” aus der Allegorie der göttlichen Vorsehung. Goethe nimmt darin “ein Harmoniespiel der Farben” wahr, das alle Farben seines Farbkreises umfasst und diese, alles “Kräftige” und “Grelle” vermeidend, “sanft” ineinander übergehen lässt. Trotz der Affinität zu Maltechniken der Renaissance unterscheiden sich die Unione- und Cangiante-Methoden des Fresko durch den Gesamteindruck ihrer Wirkung—“das Auge verlangt Totalität”—die Goethe immer wieder mit “heiter” charakterisiert (63, 64, 66, 67, 98). Wegweisend ist für Goethe bereits das antike Fresko Aldobrandinische Hochzeit; eine Erneuerung seines Ideals erhofft er sich von einem bisher unbekannten “emporstrebenden jungen Maler,” den Currie als Gottlieb Schick identifiziert. “Heiter” an seinem Apoll unter den Hirten ist, dass der Triumph der Kunst sich auch in der Malweise widerspiegelt, indem das mimetische “Kolorit” durch das “künstliche Farbenspiel” der “colori cangianti” idealisiert und das Gemälde so zur klassizistischen Allegorie wird (93, 99–102, 117, 121).

Wie seine Farbenlehre ist auch Goethes Farbenharmonie konträr und kontrovers. Er opponiert damit gleichzeitig gegen Diderots “Tonharmonie” (“l’air et la lumière” als “harmonistes universels” [114]) und gegen Romantiker wie Caspar David Friedrich, der “bey der Anwendung der Farben deren Milderung und Uebereinstimmung nicht beachtet” (83), weist aber auch voraus auf die Moderne, die sich von “naturalistic colouring” bewusst lossagt, “in order to exploit the vividness of complementary contrasts” (109). Bei diesen größeren Zusammenhängen wünschte man, Currie hätte sich mehr auf das Fragwürdige eingelassen, etwa dass Klassik und Romantik Raphael als Vorbild reklamieren, oder dass der von Goethe hochgeschätzte Claude [End Page 417] Lorrain “heiter” ist ohne cangiante zu sein. Geradezu ironisch ist, dass Goethe eine Farbenlehre schreibt, die auf der Komplementarität von Gelb, Rot und Blau basiert, gleichzeitig aber ein eher “farbloses” Farbideal propagiert und, etwa in seinen lavierten italienischen “Bildern,” auch praktiziert.

Currie besticht durch ihr virtuos gehandhabtes, interdisziplinäres Vorgehen, ihre Gedankenschärfe und Entdeckerfreude, ihren Blick in die Tiefe und in die Ferne. Offensichtlich war auch sie—die reich bebilderte Aufsatzsammlung ist eine postume Hommage—ein ausgeprägter Augenmensch.

Franz R. Kempf
Bard College
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