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  • Migration als steter Fluss der GlobalisierungKonferenzansprache, Jahrestagung der Austrian Studies Association, California State University Long Beach, April 2012
  • Barbara Neuwirth (bio)

Als ich am 18. April 2012 in Wien das Flugzeug nach Los Angeles bestieg, verließ ich ein Land, in dem laut Statistik Austria zum Stichtag 1.1.2011 8,404.252 Menschen lebten, nicht ganz 11% davon sind AusländerInnen (927.612). Mehr als ein Drittel davon (367.938) sind BürgerInnen der eu oder des ewr (umfasst die eu und Island, Liechtenstein und Norwegen) und der Schweiz. Aus dieser Gruppe stechen wiederum die Deutschen hervor, die mit 146.392 Personen überhaupt die größte Gruppe der MigrantInnen aus einem Land in Österreich stellen. Seit dem Fall der deutschen Mauer ist die Arbeitsmigration der Deutschen stark angestiegen. Von den Drittstaatangehörigen ist die Gruppe der Zugezogenen aus dem ehemaligen Jugoslawien (ohne Slowenien) die größte (294.337), die zahlreichste Gruppe aus diesem geografischen Raum kommt aus Serbien, Montenegro und dem Kosovo (135.696). Aus der Türkei kommen 113.457 Menschen.

18.241 kommen aus Amerika, aus den USA 7.398 (“Statistik Austria” 51).1 Die Verteilung der AusländerInnen ist sehr unterschiedlich. 20% der Wiener Bevölkerung waren zum Stichtag AusländerInnen, darüber hinaus hatte mindestens ein Viertel der WienerInnen Migrationshintergrund, bei den Kindern in den Wiener Grundschulen hatten insgesamt 59,5% Migrationshintergrund. In einzelnen Wiener Bezirken sieht die Situation dramatisch aus: in Hernals etwa haben 93,2% der Kinder Migrationshintergrund, in Margareten 89,9% (Österreichischer Integrationspreis). [End Page 1]

Wie schwierig sich Österreich mit dieser Zuwanderung tut, ist hinlänglich bekannt: Scharfe “Ausländergesetze”, politische Hetzkampagnen des rechten Parteienspektrums und das lange währende Laissez-faire der großen Parteien im Zusammenhang mit Integrationsmaßnahmen haben zu einer oftmals auf beiden Seiten unbefriedigenden Situation geführt. Das österreichische Selbstverständnis war zu lange, kein Einwanderungsland zu sein, eher ein Durchzugsland für Flüchtlinge und Immigration.

Der Begriff “global” rückt das Weltumfassende in den Mittelpunkt. Abgesehen vom Wetter (mit dem ich mich liebend gerne beschäftige) und seine Auswirkung auf globale Zustände, ist das nächste unvermeidliche globale Thema: Geld. Überall gibt es dieses Wertäquivalent. Die Finanz-Vernetzung scheint so mächtig, dass Finanz-Krisen sich global auswirken können. Nationale Bemühungen um Änderungen in der Finanzwelt sind daher aussichtslos, wenn es nicht gelingt, grenzüberschreitende Absprachen zu erzielen. Wie schwierig das ist, erleben derzeit europäische Länder, die eine Finanztransaktionssteuer einführen wollen, um jenen Finanzsektor zu einer geringen Steuerabgabe zu verpflichten, der, obwohl er kaum Steuern in die Volkswirtschaften einbringt, dennoch in der letzten Krise mit enormen Summen gerettet wurde. Solange es zu keinem gemeinsamen Beschluss kommt, würden jene Staaten, die vorpreschen, sich wirtschaftlich angreifbar machen—lautet die Warnung von manchen, deren Interessen sowohl den eigenen wie auch den Vorteil aller meinen könnten. Klar ist hier nur: Es bräuchte gerade im Finanzsektor eine gemeinsame, ehrlich kommunizierte Vorstellung davon, wer zahlen muss und wer gewinnt.

Geld war immer ein Bindeglied von Gesellschaften. Das spiegelt sich in den Wörtern. Sehen wir zum Beispiel in ein kleines böhmisches Dorf im Jahr 1519: St. Joachimsthal verfügt über ein wichtiges Silberbergwerk und die Münzen, die dort geschlagen werden, heißen nach dem Herkunftsort Joachimsthaler. Wie oft—nicht nur in der deutschen Sprache—kommt es auch hier bald zu einer Reduktion des Wortes und das Geld heißt kurz und bündig: Thaler—der Begriff, der sich in fast ganz Europa ausbreitete, hat als Dollar auch in Übersee (den USA, Kanada, Neuseeland und Australien) seinen Platz gefunden und bezeichnet sogar im Entenhausener Universum das Zahlungsmittel: Carl Barks lässt Uncle Scrooge in seinen Billionen Dollar genüsslich baden, und die Übersetzerin der Comics ins Deutsche, die Kunsthistorikerin [End Page 2] Dr. Erika Fuchs, nützte selbstverständlich wieder den vertrauten Begriff: Taler.

Weitere Globalisierungswörter im Bereich der Finanzen, die als reisende Wörter aus dem arabisch/hebräischen Bereich über die italienischen Handelsstädte mit ihren Niederlassungen im Orient nach Europa kamen, sind zum Beispiel Scheck (aus dem Persischen), Risiko (vom arabischen Wort rizq, das den von Gott gegebenen—bekanntlich immer unsicheren—Lebensunterhalt meint) und Pleite...

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