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  • Zwischen Eros und Mitteilung: Die Frühromantik im Symposion der „Athenaeums-Fragmente“ by May Mergenthaler
  • Andreas Arndt
May Mergenthaler. Zwischen Eros und Mitteilung: Die Frühromantik im Symposion der „Athenaeums-Fragmente“. Paderborn: Schöningh, 2012. 344 pp. €39.90 (Hardcover). ISBN 978-3-50677-360-9.

Am Ende der Auseinandersetzung mit dem Forschungs- und Diskussionsstand erklärt die Verfasserin, eine „romantische Lektüre der Romantik“ vorschlagen zu wollen (133f.). Es handelt sich dabei nicht (nur) um den berechtigten Hinweis darauf, dass die Romantik zunächst von ihren eigenen Voraussetzungen her zu verstehen sei, sondern um die Beschreibung des Programms der vorliegenden Untersuchung: Sie will den Kranz der Athenaeum-Fragmente gleichsam poetisch potenzieren, indem die Beiträger (und Nichtbeiträger, wie Auguste Böhmer) zu dem Fragmentenkranz als Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dem Gespräch eines imaginären Symposions angesehen und mit dem Ensemble des plato-nischen Symposions identifiziert werden. Friedrich Schlegel hätte die Absicht einer solchen Poetisierung und Romantisierung der Athenaeum-Fragmente zweifellos gefallen. Tatsächlich erfolgt sie jedoch nicht im Medium der Poesie, gewissermaßen als Poesie der Poesie, sondern im Medium eines wissenschaftlichen Diskurses über Texte, die selbst kaum umstandslos unter das Rubrum ‚Poesie‘ zu bringen sind. Überhaupt hat Friedrich Schlegel Poesie ja mehr proklamiert und postuliert als auch wirklich produziert.

Hier beginnen die Schwierigkeiten. Die Verfasserin geht davon aus, dass es „problematisch“ sei, „überhaupt eine Philosophie“ aus Schlegels Schriften „extrahieren“ zu wollen; zur Begründung führt sie u.a. an, Schlegel selbst habe gefordert, „die Unterscheidung zwischen der Philosophie[,] der Poesie und anderen Wissens- und Lebensbereichen zu relativieren und sogar aufzuheben“ (61). In der Tat liegt dies in der Logik einer Philosophie, die sich nicht vom Leben trennen lassen will, und auch in der Logik einer Poesie, die sich als Universalpoesie versteht. Allerdings bedeutet das Überschreiten von Grenzen nicht, das nun einfach alles Eins wird und ununterscheidbar in den Abgrund der Alleinheit versinkt. Dann könnte weder Schlegel Texte verfassen noch ließen sich Texte über Schlegel produzieren. Überschreiten setzt Bestimmtheit des a quo und ad quem voraus, Aufhebung ebenso: Welche Philosophie wird überschritten [End Page 403] oder aufgehoben? Dass diese Frage nicht ausdrücklich gestellt und beantwortet wird, schadet m.E. leider dem ganzen Buch.

Die Abhandlung stellt von vornherein Schlegels Begriff der Mitteilung ins Zentrum, der auf „angemessen[e]“ Weise kritisiert werden soll; es gehe darum, „die Bewegung seines Strebens nach vollendeter Mitteilung aufzuhalten und in ihrer Mannigfaltigkeit zu rekonstruieren, um so die Hierarchien und Asymmetrien, die diese Bewegung strukturiere, auszustellen und ihnen gleichzeitig entgegenzuwirken“ (217). Was immer dies genau meinen mag: Das Projekt ‚vollendeter Mitteilung‘ sieht die Verfasserin vor allem im dritten Band des Athenaeum hervortreten – vor allem in dem „Gespräch über die Poesie“ –, wobei sie davon ausgeht, dass es das vorher obwaltende „unbestimmte[] Verlangen nach dem ‚Unendlichen‘ oder ‚Absoluten‘“ ablöst (18). Die Schwierigkeit bzw. Unmöglichkeit des Projekts werde dann in dem Essay „Über die Unverständlichkeit“ deutlich, der nach Ansicht der Verfasserin „das frühromantische Projekt selbst in Frage“ stelle (20). Sie nimmt dabei in Anspruch, erstmals das Konzept der vollendeten Mitteilung ins Zentrum der Interpretation der Frühromantik gestellt zu haben.

Der Begriff der vollendeten Mitteilung selbst, so die Verfasserin, sei „schwer begreiflich[]“ (91). Die Bewegung dieser Mitteilung sei nicht als ein geschlossenes System zu verstehen, sondern sie sei – systemtheoretisch betrachtet – „ein paradoxes, sich beständig ausdifferenzierendes und dabei allumfassendes, offenes und doch geschlossenes, systematisches und unsystematisches, vollendetes und sich stets veränderndes, auch seine internen Unterscheidungen stets verschiebendes chaotisches System“ (ebd.). Erstaunlicherweise hat Mergenthaler die von ihr (völlig zu Recht) konstatierte Paradoxie einer möglichen systemtheoretischen Interpretation des Konzepts nicht mit der von Friedrich Schlegel selbst formulierten Paradoxie eines Systems der Systemlosigkeit in Verbindung gebracht und auch nicht, was ebenfalls naheliegend gewesen wäre, das Konzept des Wechselerweises in diesem Zusammenhang diskutiert. Hätte sie es getan, dann hätte sie auch sehen können, dass (a) das Konzept vollendeter Mitteilung zwar poetisch zu interpretieren ist, aber durchaus identifizierbare philosophische Voraussetzungen hat, und dass (b) dieses Konzept keineswegs eine vage Sehnsucht nach dem Unendlichen oder Absoluten ablöst und auch nicht mit dem Essay „Über die Unverständlichkeit“ ans Ende kommt. Anders gesagt...

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