In lieu of an abstract, here is a brief excerpt of the content:

Reviewed by:
  • Irritation und Vermittlung. Theater in einer interkulturellen und multireligiösen Gesellschaft ed. by Wolfgang Sting et al.
  • Katharina Pewny
Wolfgang Sting , Norma Köhler , Klaus Hoffmann , Wolfram Weiße , Dorothea Griebach (Hg.). Irritation und Vermittlung. Theater in einer interkulturellen und multireligiösen Gesellschaft. Scena. Beiträge zu Theater und Religion . Band 4. Münster : Lit Verlag , 2010 , 229 Seiten.

Der vorliegende Band ist der vierte in der Reihe “Scena. Beiträge zu Theater und Religion”, die Ingrid Hentschel und Klaus Hoffmann im LIT Verlag herausgeben. Er dokumentiert die Tagung “Dialog Theater und Religion – Theater in einer interkulturellen Gesellschaft”, die im Dezember 2008 an der Universität Hamburg stattfand. Zusätzlich zu Vorträgen, Projektberichten und Podiumsdiskussionen des Kongresses nahmen die Herausgeber vertiefende theoretische Beiträge und Darstellungen interkultureller Theaterprojekte [End Page 216] in das Buch auf. In dem äußerst vielschichtigen Band sind formal und inhaltlich heterogene Texte in vier Kapiteln versammelt. Einer Einleitung folgen unter der Rubrik “Dialoge” erstens Debatten zur Frage, “wie Künste der Fremde und Andere in Kultur und Religion [. . .] thematisieren können”. Zweitens werden “Grenzen und Tabus der Darstellbarkeit religiöser Inhalte und Fragen” besprochen, und drittens und viertens werden unter den Titeln “Vermittlung” und “Projekte” interkulturelle Theaterprojekte und ihre Leitprinzipien dargestellt. Den versammelten Stimmen, gleich ob sie monografisch formulieren oder ob der Ausschnitt aus einer Diskussionsveranstaltung abgedruckt ist, ist die Bereitschaft zum Dialog und zur Relativierung der eigenen Positionen anzumerken. Implizit und explizit sind in dem Buch der Studiengang Performance Studies und das interdisziplinäre Zentrum Weltreligionen, zwei reiche Hamburger Vermittlungstraditionen zwischen Theater und Theorie, sowie zwischen den Religionen, präsent.

Die Forschungskontexte des vorliegenden Bandes sind theaterwissenschaftlich, erziehungswissenschaftlich und religionswissenschaftlich. Aus theaterwissenschaftlicher Sicht ist zu konstatieren, daß Fragen nach der Gemeinschaft stiftenden Funktion des geteilten Erlebnisses und Hervorbringens von Aufführungen, die im vergangenen Jahrzehnt viele Forscher/innen beschäftigte, und die damit einher gehenden Konzentration auf Präsenz (im Unterschied zu Repräsentation), abgelöst werden. Ihnen folgen, wie in “Irritation und Vermittlung” sowie anderen Orts zu konstatieren ist, Synthesen der vermeintlichen Gegensätze von Präsenz und Repräsentation, des Ästhetischen und des Politischen. Der vorliegende Band steht nicht nur für diese Entwicklung, sondern er treibt sie maßgeblich voran. Die versammelten Aufsätze und Debatten sind verbunden durch die Reflexion der Bedingungen, die Dialogizität zwischen Personen und Positionen unterschiedlicher Kulturen, Herkünfte und Glaubenssysteme ermöglichen. Das Bestreben nach einer gewaltfreien Begegnung mit dem Anderen betrifft das Zusammentreffen von Schauspielern unterschiedlicher Herkunft, von Schauspielern und ihrem Publikum, von Lehrenden und Lernenden und von Menschen, die unterschiedliche Religionen (inner- und außerhalb von Institutionen) praktizieren. Damit sind sehr unterschiedliche Ebenen angesprochen, einige seien im Folgenden genannt: Die Ebene der Selbstverortung von Schauspielern und Schauspielerinnen, die sich dann aufmacht, wenn sie zum Thema ihrer Herkunft improvisieren. Normierungen und Klischees, die oftmals noch ausschlaggebend dafür sind, welche Rollen ein Schauspieler mit Migrationshintergrund bekommt. So ist wiederholt zu lesen, daß junge “türkisch wirkende” Schauspieler angesprochen werden, um Agression zu verkörpern. Eine weitere Ebene ist die der Theatertexte und -Aufführungen und ihrer lokalen so wie internationalen Rezeption. Einige Ausblicke in die Theatergeschichte, beispielsweise in das griechische Tragödientheater und sein Verhältnis zum afrikanischen Theater, sind ebenfalls in den Band inkludiert. Ein weiterer roter Faden ist die rezeptionsästhetische Frage, genauer: Religion spezifische Konnotationen der Theatertradition des Mitleidens, oder der “Mitleidenschaft”, die der ehemalige Intendant des Thalia Theaters Ulrich Khoun formuliert. Die Frage nach der Auseinandersetzung mit Transzendenz im Theater zeigen sich als anschlußfühig nicht nur für Aufführungen, die Religion explizit themnatisieren, sondern für eine große Bandbreite an Theateraufführungen, besonders in einer Stadt, in der die gesellschaftlichen und ethischen Aspekte des Theaters so präsent sind wie in den Hamburger Theatern der Jahrtausendwende. Zusätzlich zu der Frage der Interkulturalität und Multireligiosität erweist sich beim Lesen auch die Achse des Lokalen und des Globalen als bedeutunsgebend. Aufgrund der Verankerung in Hamburg ist der lokale Aspekt stark präsent. Die globale Perspektive ist vor allem in den transkontinental ausgerichteten Beiträgen angesprochen. Der Untertitel des Bandes, nämlich “Theater in einer interkulturellen und multireligiösen Gesellschaft” hinterläßt [allerdings...

pdf

Share